Der erste Entwurf des Mobilitätskonzeptes für die Cottbuser Altstadt wurde den Trägern öffentlicher Belange im Dezember 2019 vorgelegt. Nach Rücklauf der ersten Stellungnahmen wurde das Konzept überarbeitet und liegt nun in einer neuen Fassung vor. Der aktuelle Stand wurde am Dienstag, den 14.01.2020 auf zwei öffentlichen Veranstaltungen durch die Stadtverwaltung Cottbus/Chóśebuz und dem bearbeitenden Büro Hoffmann-Leichter Ingenieurgesellschaft mbH vorgestellt. Zunächst fand um 15 Uhr ein gemeinsam von der IHK Cottbus und der Stadtverwaltung Cottbus/Chóśebuz organisierter Termin für Händler, Gastronomen und für weitere Unternehmer der Altstadt statt, dem zwischen 80 und100 Pesonen folgten. Es folgte um 18 Uhr eine Bürgerversammlung im nahezu vollbesetzten Saal des Stadthauses Cottbus.
Nach ersten Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit wird wie erwartet deutlich, dass die zahlreichen, teils widerstreitende Interessen der unterschiedlichen Altstadtnutzer nicht einfach unter einem Hut zu bringen sein werden.
Anwohner haben das Bedürfnis nach einem ruhigen Wohnort kundgetan, Händler wünschen sich, dass ihre Kunden möglichst einfach und schnell zu ihnen gelangen. Gastronomen wollen für ihre Gäste eine angenehme und entspannte Atmosphäre. Besucher der Altstadt erwarten einen lebendigen und attraktiv gestalteten Ort, inklusive Fahrradverleih und Servicestationen.
In der Diskussion im Stadthaus äußerten sich viele Bürger zustimmend zu dem Konzept und begrüßten die Maßnahmen. Vor allem die Lenkung des Radverkehrs über eine neue Ost-West- und eine Nord-Süd-Achse entlang der Klosterstraße und am Turm 14 vorbei, stieß auf positive Resonanz, sowie die Unterbindung des Durchgangsverkehrs durch Motorräder und Autos. Auch Händler äußerten sich in der Diskussion und sagten einen Kundenrückgang voraus, sollte das Mobilitätskonzept umgesetzt werden. Eine ältere Dame erinnerte in dem Zuge an die Diskussion in den 90er Jahren, als der Parkplatz vom Altmarkt verschwinden sollte, auch damals protestierten vor allem Händler und Gastronomen energisch gegen die Maßnahme mit dem Argument, Kunden würden nicht mehr die Geschäfte erreichen, “heute will die gute Stube der Stadt niemand merh missen und daran kaputt gegangen ist garantiert keiner.” sagte sie. Aufgeführte Umfrageergebnisse der Händler, die besagen, dass bis zu 90% der Kunden mit dem Auto in die Altstadt kämen liegen widersprüchliche Ergebnisse von Bürgern vor, die zum Einkaufen in der Altstadt waren und gefragt wurden, wie sie dorthin gelang sind, hier antworteten nur 30 – 40% “mit dem Auto.”
Auch im Internet wurde und wird engagiert über das Thema diskutiert, ein Nutzer schrieb bei Facebook “Was glauben Sie, was dem verbliebenen innovationslosen Einzelhändler in den nächsten Jahren bevorsteht? Eine fehlende PKW-Anbindung ist sicher sein geringstes Problem.” Die IHK hatte vorher die Altstadtwirtschaft zur Diskussion unter der Überschrift “Innenstadt von Cottbus bald komplett PKW-frei?” eingeladen. Allein der Titel ging aber am eigentlichen Thema vorbei, wie auch Markus Liebig von der HOFFMANN-LEICHTER Ingenieurgesellschaft mbH, die das Konzept erstellt hat, bemerkt, da es beim Mobilitätskonzept nur um die Cottbuser Altstadt geht und im Konzept nur der Durchgangsverkehr verhindert und keineswegs Autos aus der Altstadt ausgesperrt werden sollen. “Wir erwarten sehr große Auswirkungen für die Unternehmer und für die Kunden in der Innenstadt von Cottbus und weit darüber hinaus.” Damit spannte die IHK einen Bogen, der weit über das vorgelegte Konzept hinausgeht und schon im Vorfeld eine Stimmung gegen das Konzept schürte. Auch beklagten die Händler, vorher nicht gefragt worden zu sein, auf eine Onlineumfrage und schriftliche Umfrage der Stadt Cottbus kamen allerdings nur zwölf Antworten aus der Unternehmerschaft, hier soll nochmal nachgearbeitet werden, dagegen nutzten über 500 Bürger die Möglichkeit der bisherigen Beteiligung. Anwesende Bürger bemerkten auch, das hauptsächlich in der Altstadt arbeitende, Ladeninhaber und Anwohner die vorhandenen Parkplätze nutzen, nicht Kunden.
Im Mobilitätskonzept wurden viele Aspekte aufgenommen und in einem Vorzugsszenario eingearbeitet. Dabei wurde klar, dass nicht alle Wünsche und Ideen erfüllt und umgesetzt werden können. Übergeordnetes Ziel ist es, die Erreichbarkeit der Altstadt vor allem für Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV-Nutzer zu verbessern und eine höhere Aufenthaltsqualität, durch die weitere Gestaltung von Straßen und Plätzen für alle Nutzer zu erreichen.
So soll z.B. die Marktstraße als erweiterter Fußgängerbereich umgestaltet werden. Die bisherigen Pkw-Stellplätze sollen durch Fahrradbügel ersetzt werden. Dadurch entstehen ca. zehnmal so viele Stellplätze. Davon sollen Händler und Gastronomen profitieren. Zudem kann der öffentliche Raum besser genutzt werden, beispielsweise für mehr Außengastronomie und Auslagen von Geschäften.
Wesentliche Maßnahme ist die Unterbindung des Kfz-Durchgangsverkehrs, um die Störfaktoren beim Besuch der Altmarktgastronomie weitgehend zu reduzieren. Um keine Schleichverkehre in der Klosterstraße und in anderen Bereichen zu erzeugen, wird vorgeschlagen, diese als Sackgassen auszuweisen. Das heißt, jeder kann sein Ziel in der Altstadt weiterhin mit allen Verkehrsmitteln erreichen. Allerdings können unnötige Lärm- und Feinstaubbelastungen vermieden werden. Zudem entstünden durch die Neuorganisation alternative und sichere Routen für Radfahrer und Fußgänger, was sowohl Anwohnern als auch Gästen der Altstadt dient. Einzig das Vorhaben in der Uferstraße zwei Poller vor dem derzeit entstehenden Neubau am Wichernhaus zu errichten, die den Verkehr dort unterbinden, wurde nach der Veranstaltung nochmal heiß diskutiert. Dadurch wird eine Verkehrsverlagerung entlang der Gerberhäuser und des DKW in Richtung Franz-Mehring-Straße befürchtet, alternativ wurde vorgeschlagen die Uferstraße in Richtung Franz-Mehring-Straße als Einbahnstraße zu erhalten.
Anwohner können weiterhin im Umfeld ihrer Wohnungen parken. Um Parksuchverkehre zu vermeiden, sollen langfristig Stellplätze von den Straßen in Parkhäuser verlagert werden. Im Konzept werden zu den bestehenden Parkhäusern zwei weitere Standorte für neue Parkhäuser vorgeschlagen. Zum einen auf dem derzeitigen Parkplatz in der Jahnstraße und zum anderen an der Bahnhofstraße gegenüber dem Stadthaus. Damit erhöht sich langfristig die Kapazität der Pkw-Stellplätze von cirka 2.900 um ca. 400 im Umkreis der Altstadt auf 3.300.
Für den Fahrradverkehr werden über 500 neue Stellplätze sowohl an bestehenden Orten als auch straßenbegleitend im gesamten Altstadtbereich anvisiert. Zudem soll der Service für Radfahrer durch Mobilitätsstationen mit Leihrädern, Luftpumpstation, Pannenwerkzeug und Aufbewahrungsfächern verbessert werden.
Wer mit dem Bus oder die Straßenbahn in die Altstadt fährt, soll künftig überall barrierefreie Haltstellen mit Fahrgastinformationen vorfinden. Die Straßenbahnhaltstelle Altmarkt/Sandower Straße soll auf den Altmarkt vorgezogen werden, um besseren Wartekomfort mit Wetterschutz zu ermöglichen.
Insgesamt bietet das Mobilitätskonzept allen Nutzern und Bewohnern der Altstadt einen Mehrwert. Die Maßnahmen unterstützen die Ziele einer nachhaltigen Mobilität wie sie im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) und im Integrierten Verkehrsentwicklungsplan (InVEPL) beschlossen wurden.
Bis zum 31.01.2020 können weitere Anregungen, Hinweise, Ideen und Kritik von Bürgern an die Stadt per E-Mail, Post oder persönlich übermittelt werden. Die Kontaktadresse und das Mobilitätskonzept findet man auf den Internetseiten der Stadt Cottbus.
Hintergrund
Fortschreibung des Integrierten Verkehrsentwicklungsplans Nachhaltiges multimodales Mobilitätskonzept für die Cottbuser Altstadt
Seit Dezember 2018 wird im Auftrag der Stadt Cottbus/ Chóśebuz ein Mobilitätskonzept für die Cottbuser Altstadt erarbeitet. Zur Konzepterstellung wurden Bewohner und Gäste der Cottbuser Altstadt zu ihrem Mobilitätsverhalten, den verkehrlichen Defiziten und Verbesserungswünschen befragt. Gleichzeitig analysierte das beauftragte Büro Hoffmann-Leichter Ing. mbH die verkehrliche Situation aller Verkehrsarten im Altstadtbereich. Die Ergebnisse der Befragungen sowie der Bestandsanalyse wurden im Rahmen eines öffentlichen Workshops im April 2019 vorgestellt sowie Lösungsansätze für eine nachhaltige und chancengleiche Mobilität erarbeitet. Diese Lösungsansätze wurden seitdem im Rahmen eines Vorzugsszenarios in Leitziele und Maßnahmen überführt. Wesentliche Maßnahmen, die sich daraus ergeben, sind: die Ausweitung von Fußgängerbereichen, mehr Angebote für Fahrradstellplätze, barrierefreie Wege und ÖPNV-Haltestellen, neue Mobilitätsstationen sowie die Unterbindung des Durchgangverkehrs und die Neuorganisation des PKW-Parkens.
Nun gilt es, das Konzept gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren, damit Bewohner, Besucher, Gewerbetreibende und Gastronomen die Altstadt zukünftig als gleichermaßen lebenswertes wie gut erreichbares Herz der Stadt erfahren können. Um die Erreichbarkeit der Cottbuser Altstadt nachhaltiger für alle Verkehrsteilnehmer, Bewohner und Gäste zu gestalten, hat die Stadtverwaltung Cottbus die HOFFMANN-LEICHTER Ingenieurgesellschaft mbH mit der Entwicklung eines Mobilitätskonzepts beauftragt, das einer künftigen multimodalen, barrierefreien und chancengleichen Mobilität Rechnung tragen soll. Ziel des Konzeptes ist es, die Erreichbarkeit der Altstadt mit ihren gastronomischen Angeboten und vielfältigen Geschäften für den Fuß- und Radverkehr sowie für den ÖPNV-Nutzer zu verbessern. Zudem sind die Anliegen der Altstadtbewohner nach einem ruhigen, barrierefreien und sicheren Wohnumfeld zu berücksichtigen. Das Konzept wird durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.