Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, kurz Kohlekommission hat sich auf einen Abschlussbericht verständigt und ihn mit nur einer Gegenstimme angenommen. Es hat bis in den Samstagmorgen gedauert, dann stand der Bericht fest. Der Kohleaussstieg in Deutschland soll bis 2038 abgeschlossen sein, 2032 gibt es eine Überprüfung der Fortschritte mit der Option, bereits 2035 die letzten Kraftwerke abzuschalten. Die westdeutschen Braunkohlereviere machen dabei den Anfang, bis 2022 werden das Lausitzer und das Mitteldeutsche Revier verschont. Gleichzeitig fließen jährlich 2 Milliarden Euro in die betroffenen Gebiete, weitere 2 Milliarden Euro pro Jahr sollen die Stromkunden deutschlandweit entlasten.
Die ersten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU), IGBCE Mitglied und Bundestagsabgeordneter Ulrich Freese (SPD), Bundestagsabgeordneter Klaus-Peter Schulze sowie der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks Hans Peter Wollseifer äußerten sich am Wochenende gegenüber Niederlausitz aktuell bereits auf der Handwerkermesse in Cottbus. Zu sehen sind die Statements im Titelvideo. Ministerpräsident Dietmar Woidke äußerte sich am Montagmorgen auch nochmal vor der Kamera.
Aber auch schriftlich äußerten sich Umweltschutzverbände, Parteien und Lobbygruppen.
Die Reaktionen
Ministerpräsident Dietmar Woidke:
“Das ist ein gutes Ergebnis für Brandenburg und die Lausitz, für Klimaschutz, Energiesicherheit und akzeptable Strompreise. Die Kommission hat eine wirklich gute Arbeit geleistet. Dafür meine Anerkennung. Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist es wichtig, dass der Beschluss fast einstimmig gefallen ist. Jetzt gibt es endlich Planungssicherheit für unsere Lausitz. Die Arbeit der Kommission war aber nur der erste Gang. Jetzt sind Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat am Zuge, um das umzusetzen. Und zwar möglichst schnell. In die Region werden viele Milliarden Euro fließen. Das ist sehr gut, es darf aber nicht nach Gießkannenprinzip und wahllos ausgegeben werden. Wir brauchen klare Prioritäten für Schiene, Straße, Wissenschaft, Forschung und Kultur. Und es muss langfristig wirken. Vor allem brauchen wir gut bezahlte Industriearbeitsplätze. Dafür ist die Lausitz bereits auf dem richtigen Weg. Und es hat sich gelohnt, dafür zu kämpfen – gemeinsam mit Wirtschaftsminister Jörg Steinbach bis in den frühen Morgen.“ Im Videointerview machte Woidke zudem deutlich, dass er in den weiteren Gesprächen unter anderem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag auf konkrete Zusagen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen bestehen wird.
Umweltgruppe Cottbus / Grüne Liga:
Der Umweltverband GRÜNE LIGA kritisiert, dass der in der Nacht verabschiedete Bericht der Kohlekommission verbindliche Schritte zum Klimaschutz im Lausitzer Revier auf die Zeit ab 2030 verschiebt und die überfällige Rettung des Dorfes Proschim nicht festschreibt. Die GRÜNE LIGA kündigt weitere Proteste gegen Umsiedlung, Landschaftszerstörung und Zwangsenteignungen im Lausitzer Revier an.
„Während im Rheinland die notwendigen ersten Schritte zum Kohleausstieg gegangen werden, sollen die Steuermilliarden in der Lausitz praktisch ohne Gegenleistung fließen. Die Kraftwerksplanungen des LEAG-Konzerns werden bisher nicht angetastet. Offenbar soll der Steuerzahler hier nicht die Folgen eines Kohleausstieges abfedern, sondern die Sparprogramme der LEAG-Eigner ausgleichen und den Landtagswahlkampf der beiden Ministerpräsidenten retten.“ sagt René Schuster von der GRÜNE LIGA, Mitglied im Braunkohlenausschuss des Landes Brandenburg.
Hannelore Wodtke, Vertreterin der Lausitzer Tagebaubetroffenen in der Kohlekommission, hat dem ausgehandelten Kommissionsbericht nicht zugestimmt. „Die Rettung des Dorfes Proschim vor der Umsiedlung ist seit Jahren überfällig. Auf Druck der sächsischen und brandenburgischen Landesregierungen lässt die Kohlekommission die betroffenen Menschen weiter in Unsicherheit über ihre Zukunft. Offensichtlich lassen sich Kretschmer und Woidke ihre Politik noch immer vom EPH-Konzern diktieren.“ begründet Wodtke ihre Ablehnung.
Die vollständig im Eigentum der tschechischen EPH befindliche LEAG will selbst und erst 2020 entscheiden, ob sie den Tagebau Welzow-Süd II noch aufschließt. Seit 2014 leben die Bewohner in Unsicherheit, ob der von der Landesregierung beschlossene Braunkohlenplan umgesetzt wird.
Das Kraftwerk Jänschwalde, eine der klimaschädlichsten Anlagen Europas, soll nach den Zahlen des Kommissionsberichtes noch bis 2029 weiterbetrieben werden. In der Kommissionssitzung hatten Vertreter der Landesregierung zwar die Nachrüstung des Kraftwerkes mit einer „innovativen Technologie“ in der Mitte der 2020er Jahre angeboten. Diese dubiose Technologie kam jedoch erst spät in der Verhandlungsnacht zur Sprache und war der Kommission in keiner der zahlreichen Expertenanhörungen vorgestellt oder jemals schriftlich zur Kenntnis gegeben worden. Bis jetzt ist deshalb nicht einmal ihr Name bekannt. Bekannt wurde dagegen, dass sie auf öffentliche Förderung angewiesen wäre und so offenbar den Weiterbetrieb der Tagebaue subventionieren würde. Sollte diese offenbar noch völlig unerprobte Form der CO2-Bindung nicht großtechnisch nutzbar sein, würde das Kraftwerk bis 2029 mit seinen bisherigen Emissionen weiterbetrieben.