Mit einem Gefühl von Wut, Verzweiflung, Perspektivlosigkeit und Hilflosigkeit betrat Tobias (23 Jahre) als einer von vielen Patienten mit erworbenen Hirnschädigungen in Deutschland im September 2015 die Fortbildungsakademie der Wirtschaft („FAW“) in Cottbus.
Tobias wird aufgrund eines Autounfalls und der damit verbundenen Hirnschädigung nicht mehr in seinem Ausbildungsberuf des Kfz-Mechatronikers arbeiten können. Er verlor seine gewohnte Selbstständigkeit und war plötzlich wieder auf die Hilfe von Familie, Freunden und Reha-Einrichtungen abhängig. Die körperlichen Einschränkungen mit mehreren Knochenbrüchen und einer schweren Verletzung am Auge waren dabei für ihn das kleinere Problem. Der harte Aufprall des Pkws am Baum führte zudem zu einer starken Schädigung der einzelnen Gehirnregionen. Sprechen, sich etwas merken, sich konzentrieren, Laufen und vieles andere bis dahin so Selbstverständliche musste Tobias in einem langen stationären und ambulanten Reha-Prozess wieder erlernen.
Durch die „Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik“ wurde er an die FAW Cottbus vermittelt.
Die FAW gGmbH bietet eine wohnortnahe Betreuung, jahrelange Erfahrung und eine engmaschige Zusammenarbeit mit den einzelnen Kostenträgern für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen (MEH). Das Ziel ist die Rückkehr in ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben der Betroffenen und die Unterstützung der Angehörigen! „Durch die FAW habe ich viele Menschen die mich unterstützen gewonnen und wieder eine Perspektive gefunden.“ so Tobias.
Tobias hatte wenig Hoffnung, war voller Wut auf sich selbst und sein eigener Anspruch war sehr hoch: „Ich will es hinbekommen und nicht nur ganz gut oder okay sein. Was ich tue soll perfekt sein, sonst kann ich es gleich lassen.“ Sein Perfektionismus und seine Wut auf sich selbst, wenn etwas nicht funktionierte, waren zu Beginn oft hinderlich in seiner Reintegration.
Aufgabe der FAW Cottbus war es nun Tobias für einen neuen Weg zu öffnen, die Akzeptanz nicht mehr als Kfz-Mechatroniker arbeiten zu können zu erhöhen und seine Leistungsfähigkeit langsam zu steigern. Zusammen mit Sarina Thieme, die ihn betreuende Mitarbeiterin der FAW, gelang es Tobias seine negative Einstellung in Lebensenergie und Motivation umzuwandeln. Ein gemeinsamer Versuch ihn langsam und schrittweise doch zurück in seinen Traumberuf zu bringen, scheiterte jedoch erneut, wobei er diese Enttäuschung anders erlebte als beim ersten Mal. Das zweite Erprobungsunternehmen, in einer ihm fremden Berufsbranche Lager/Handel, nahm sich Zeit für ihn und zeigte Verständnis für Schwierigkeiten, wie eine geminderte Belastbarkeit, Wortfindungsstörungen, Einschränkungen in der Merkfähigkeit usw. Durch diese Akzeptanz gelang es Tobias sich von seinem alten Beruf zu verabschieden und sich neuen Wegen zu öffnen.
Mit aktiver Unterstützung der FAW gelang es Tobias im vergangenen Jahr mit der Firma „PV Automotive GmbH Cottbus“ und seinem Ausbilder Herrn Janke einen sozial engagierten und äußerst verständnisvollen Arbeitgeber zu finden. Tobias überzeugte mit seiner Motivation und dem Ehrgeiz seine vorgenommenen Ziele zu erreichen. „Eigentlich wollten wir gar nicht ausbilden, aber in der heutigen Zeit, unterstütze ich einen jungen Menschen mit dieser Leidenschaft und vor allem noch bei dieser Vorgeschichte ganz besonders gern. Probleme gibt es bei uns nicht. Wir können über alles reden, auch wenn Tobias mal nicht so kann, ist das nur menschlich.“ betont Herr Janke.
Seit September 2016 hat Tobias nun mit diesem Arbeitgeber an seiner Seite eine neue Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik begonnen. Da es sich um einen Autoteilezulieferer handelt, hat er wieder den Bezug zu seiner Leidenschaft.
Mittlerweile fährt Tobias wieder Auto und lebt zumindest in dieser Hinsicht das alte Leben, da er auch hobbymäßig und mit viel Stolz an seinem Pkw schraubt. Tobias meistert mittlerweile seinen Alltag wieder selbstbestimmt und selbstständig.
Bild: André Janke (Leiter Servicezentrum PV Automotive GmbH Cottbus), Tobias K. (Auszubildender bei PV Automotive, MeH Teilnehmer), Sarina Thieme (Psychologin der FAW Cottbus); Foto: Anja Wendt
pm/red