Die Lage auf dem Brandenburger Arbeitsmarkt ist so gut wie nie zuvor. Die Arbeitslosenquote befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse ist seit 2005 um 15 Prozent auf rund 986.000 gewachsen. Aufgrund des hohen und weiter steigenden Fachkräftebedarfs verbessern sich zunehmend die Jobchancen für Langzeitarbeitslose, und auch die Zahl der sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnisse wie befristete Beschäftigung und Leiharbeit geht zurück. Der Lohn-Abstand zum Westen verringert sich. Das geht aus dem neuen IAB-Betriebspanel Brandenburg 2016 hervor, das Arbeitsministerin Diana Golze heute in Potsdam vorstellte. Dafür wurden 1.015 märkische Betriebe von Juli bis Oktober 2016 zur Entwicklung ihrer wirtschaftlichen Situation und der Beschäftigung durch TNS Infratest Sozialforschung befragt. Die Daten wertete das Institut für sozialökonomische Strukturanalysen (SÖSTRA) aus.
Arbeitsministerin Diana Golze sagte: „Der Brandenburger Arbeitsmarkt entwickelt sich nachhaltig positiv. Das Beschäftigungswachstum hält an. Gesucht werden vor allem qualifizierte Beschäftigte mit einer Berufs- oder Hochschulausbildung. Aufgrund des Fachkräftebedarfs geben die Betriebe aber auch immer häufiger langzeitarbeitslosen Menschen eine Chance. Das ist eine wirklich gute Nachricht, da Langzeitarbeitslose bislang kaum vom Aufschwung profitieren konnten. Und die Situation für junge Menschen ist hervorragend. Sie können zwischen vielen Ausbildungs- und Einstiegsmöglichkeiten wählen und bei der Bewerbung immer selbstbewusster auftreten. Betriebe suchen sie händeringend. Wichtig ist, dass die Betriebe bei der Fachkräftesuche auch ausländischen Arbeitskräften noch mehr zutrauen und sich bei der Integration engagieren. Kritisch ist die weiterhin hohe Zahl von Frauen in Teilzeitbeschäftigung. Viele von ihnen würden gerne mehr arbeiten, finden aber keine geeignete Stelle.“
Dr. Silke Kriwoluzky von SÖSTRA erklärte: „Das IAB-Betriebspanel bildet seit mehr als 20 Jahren aktuelle Trends auf dem brandenburgischen Arbeitsmarkt ab und vergleicht sie mit der Entwicklung in anderen Regionen Deutschlands. Über einen solch langen Zeitraum wird die positive Entwicklung in Brandenburg besonders deutlich: Seit 2005 ist die Beschäftigung kontinuierlich angestiegen, der Fachkräftebedarf hat sich kräftig erhöht. Wie auch in den anderen Bundesländern stehen die brandenburgischen Betriebe deshalb vor der Herausforderung, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Hier sind die Betriebe auf einem guten Weg: Sie gleichen ihre Löhne zunehmend dem Westniveau an, investieren in Aus- und Weiterbildung und haben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Blick. Diese Maßnahmen sind richtig und wichtig, denn auch in den nächsten Jahren wird der Wettbewerb um gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergehen, nicht zuletzt durch den zunehmenden Einsatz von Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien.“
Die betriebliche Nachfrage nach Fachkräften steigt in Brandenburg weiter an: Im ersten Halbjahr 2016 suchten die Betriebe für rund 72.000 Stellen neue Fachkräfte – der bisherige Höchstwert (2015: 66.000). Damit setzt sich das Wachstum des Fachkräftebedarfs fort, das 2005 begann und sich seit 2013 zudem deutlich beschleunigt hat. Besonders im Gesundheits- und Sozialwesen und im Verarbeitenden Gewerbe werden Fachkräfte gesucht.
Jede dritte offene Fachkräftestelle konnte nicht besetzt werden: Die Nichtbesetzungsquote bei Fachkräftestellen stieg gegenüber dem Vorjahr um 6 Punkte auf 37 Prozent. Das heißt: von den im ersten Halbjahr 2016 verfügbaren Fachkräftestellen waren in Brandenburg zum Befragungszeitpunkt 37 Prozent unbesetzt (Ost: 36 %, West: 30 %). Mehr als jeder zweite Betrieb mit Bedarf konnte offene Stellen für Fachkräfte nicht besetzen (West: 42 %).
Arbeitsministerin Golze: „Vor allem für Betriebe im Baugewerbe und im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen wird es immer schwieriger, offene Stellen zeitnah und passend zu besetzen. Von einem flächendeckenden Fachkräftemangel kann aber noch nicht gesprochen werden. Gleichwohl wird die Sicherung des Bedarfs an qualifiziertem Personal für Brandenburgs Betriebe eine immer größere Herausforderung. Gerade für Kleinstbetriebe. Ihre Nichtbesetzungsquote liegt mit 53 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt aller Betriebe, Großbetriebe liegen mit 13 Prozent deutlich darunter.“
54 Prozent aller Brandenburger Betriebe haben eine Ausbildungsberechtigung, ein Prozentpunkt mehr als 2015. Tatsächlich bildeten davon 41 Prozent im Jahr 2016 aus, das ist ein leichter Anstieg um zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Damit liegt Brandenburg aber weiter unter dem ostdeutschen Durchschnitt (46 %). Insgesamt bildeten 22 Prozent von allen Betrieben in Brandenburg im Jahr 2016 aus (Ost: 23 %, West: 29 %).
Arbeitsministerin Golze: „Der leichte Aufwärtstrend bei der Ausbildungsbeteiligung ist gut, reicht aber noch lange nicht aus. Wir brauchen unbedingt mehr Betriebe, die junge Menschen ausbilden und selbst in die Nachwuchsgewinnung investieren. Das ist der zentrale Grundstock für eine erfolgreiche Fachkräftesicherung. Denn wenn Jugendliche ihren Wunschberuf nicht in Brandenburg erlernen können, ist die Gefahr groß, dass sie die Heimat verlassen. Sie zurückzuholen, erfordert deutlich mehr Kraft und Anstrengung. Auszubildende machen in Brandenburg mit 3,2 Prozent nur einen geringen Teil der Belegschaft aus.“
Positiv entwickelt sich weiter die Übernahmequote von Ausbildungsabsolventen: 70 Prozent wurden 2016 von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen (2015: 67 %). Damit liegt die aktuelle Übernahmequote doppelt so hoch wie noch 2006. Sie überstieg auch erstmals die Übernahmequoten sowohl in Ostdeutschland (68 %) insgesamt als auch in Westdeutschland (67 %).
Im Jahr 2012 konnte in Brandenburg der langjährige Rückgang der Tarifbindung gestoppt werden. Seitdem zeichnet sich eine Stabilisierung ab, allerdings auf einem niedrigeren Niveau als in Westdeutschland. 2016 waren in Brandenburg 23 Prozent aller Betriebe tarifgebunden (Ost: 21 %, West: 32 %). Damit erreicht die Tarifbindung mit 50 Prozent die Hälfte aller Beschäftigten (Ost: 47 %, West: 58 %).
Im Jahr 2016 verdienten abhängig Beschäftigte in Brandenburg durchschnittlich 2.600 Euro brutto im Monat. Das sind fast 4 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Der Bruttodurchschnittslohn stieg damit in Brandenburg stärker an als in Ostdeutschland insgesamt (gut 1 % Steigerung auf 2.640 Euro) und in Westdeutschland (knapp 1 % auf 3.230 Euro).
Damit verringerte sich der Abstand zum Lohnniveau im Westen zum zweiten Mal in Folge und liegt nun bei 81 Prozent. Das ist unter anderem auf die Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns zurückzuführen, der in Brandenburg eine deutlich höhere Reichweite hat als in Westdeutschland.
Der Anteil der sogenannten „atypischen Beschäftigung“ an der Gesamtbeschäftigung ist seit 2014 in Brandenburg deutlich zurückgegangen. Nach den Ergebnissen der aktuellen Befragung findet sich zwar in nahezu jedem zweiten brandenburgischen Betrieb atypische Beschäftigung; dies sind aber deutlich weniger als in Westdeutschland (Brandenburg: 47%, Ost: 51%, West: 65%).
Von allen Formen atypischer Beschäftigung sind Mini-Jobs am weitesten verbreitet. In Brandenburg findet sich diese Art der Beschäftigung in knapp 40 Prozent der Betriebe. Befristete Beschäftigung gibt es in 17 Prozent der brandenburgischen Betriebe, in 2 Prozent der Betriebe waren Leiharbeitskräfte eingesetzt.
Mit der anhaltend positiven Beschäftigungsentwicklung ist vor allem auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigung deutlich angestiegen. Sie hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Unter Teilzeitbeschäftigung wird dabei jedes Beschäftigungsverhältnis gezählt, bei dem die Arbeitszeit der Beschäftigten unterhalb der durchschnittlichen vereinbarten Wochenarbeitszeit im Betrieb liegt.
Arbeitsministerin Golze: „Teilzeit ist auch in Brandenburg überwiegend weiblich. Gut jede dritte Frau, die in Brandenburg beschäftigt ist, arbeitet in Teilzeit. Und das oft unfreiwillig. Bei den Männern ist es knapp jeder zehnte. Die verbreitete Teilzeitbeschäftigung ist auch in Brandenburg der Hauptgrund dafür, dass Frauen hinsichtlich ihres Einkommens wie auch ihrer Stellung im Betrieb überdurchschnittlich häufig strukturell benachteiligt sind. Sie verdienen weniger, mit negativen Auswirkungen auf ihre Rente. Arbeitszeit ist eine Gerechtigkeitsfrage. Hier sind Frauen definitiv benachteiligt. Die Bundesregierung hat es leider versäumt, das angekündigte Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit zügig einzuführen.“
Die stärksten Zuwächse bei der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeit waren in Brandenburg in den beschäftigungsstarken Branchen Gesundheits- und Sozialwesen, Handel und Reparatur sowie in der Öffentlichen Verwaltung zu verzeichnen. Allerdings arbeiten in Brandenburg zwei Drittel der Teilzeitbeschäftigten vollzeitnah, das heißt mehr als 24 Stunden (im Westen nur ein Drittel).
Ein Schwerpunkt des neuen IAB-Betriebspanels ist die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften und betriebliche Maßnahmen zu ihrer Integration. Rund 12 Prozent der Betriebe in Brandenburg beschäftigen ausländische Arbeitskräfte – etwas weniger als in Ostdeutschland insgesamt (14 %) und kaum halb so viele wie in Westdeutschland (27 %). Besonders viele Betriebe mit ausländischen Beschäftigten finden sich in Brandenburg in den Bereichen Übrige Dienstleistungen sowie Verkehr, Information, Kommunikation.
Maßnahmen zur Integration von ausländischen Arbeitskräften gibt es in jedem zehnten Betrieb – und damit annähernd genauso viele wie in Ostdeutschland insgesamt bzw. in Westdeutschland. Besonders häufig werden Praktikums- und Traineeplätze zur Verfügung gestellt: In 41 Prozent der Betriebe mit Maßnahmen zur Integration war dies der Fall; weitere 24 Prozent planten ein entsprechendes Angebot. Das entspricht etwa 5 Prozent aller Betriebe in Brandenburg.
Ein weiterer Schwerpunkt der Befragung ist die Ausstattung der Betriebe mit modernen Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien. Die Auswertung zeigt, dass das Thema Digitalisierung in den Brandenburger Betrieben präsent ist, stärker sogar als in ganz Ostdeutschland: Gut zwei Drittel der brandenburgischen Betriebe haben sich bereits mit den Möglichkeiten moderner Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien auseinandergesetzt und schätzen sie überwiegend positiv ein. 70 Prozent der märkischen Betriebe sehen ein mehr oder weniger großes Potenzial hinsichtlich des Einsatzes solcher Technologien (Ost: 62 %, West: 63 %). 14 Prozent der Betriebe in Brandenburg bewerten ihre gegenwärtige Ausstattung mit den modernen Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien als gut. Diese Technologieführer zeichnen sich durch einen besonders hohen Fachkräftebedarf sowie ein überdurchschnittliches Fort- und Weiterbildungsengagement aus.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit führt mit dem Brandenburger Arbeitsministerium seit 1996 jährlich die repräsentative Arbeitgeberbefragung für das Betriebspanel durch. In dieser Längsschnitterhebung werden jedes Jahr dieselben Betriebe befragt. Die Befragung erfolgte durch TNS Infratest Sozialforschung, den Auswertungsbericht für Brandenburg erstellte SÖSTRA. Die Analyse wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.
Der Gesamtbericht ist im Internet unter www.masgf.brandenburg.de eingestellt.
pm/red
Foto: Anton Porsche (superanton.de), www.pixelio.de