In den Wochen vor Karneval war das Birkchen in Marga Anlaufpunkt für viele kleine und große Narren. Sie stöberten im Kostümfundus der hier angesiedelten Niederlausitzer Kunstschule. Auch als unter dem Dach des Vereinshauses vor rund einem Monat der erste diesjährige Erzählsalon des Projekts „Lausitz an einen Tisch“ stattfand, musste Dörte Matthies, Vize-Vorsitzende des Birkchens, noch rasch in die Kleiderkammer, um Faschingsfreunden bei der Kostümsuche zu helfen – während im Versammlungsraum bereits erste Geschichten erzählt wurden. In Marga ist was los.
Ein Satz, der den alteingesessenen Bewohnern der Gartenstadt früher sehr viel selbstverständlicher über die Lippen ging als heute. Darin waren sich die Teilnehmer des Erzählsalons einig, als sie im Januar-Erzählsalon der Vergangenheit des einst regen Vereinslebens in diesem Ortsteil von Senftenberg nachspürten. Maria Lehmann erzählte von ihrer Arbeit im Keramikzirkel in den 70er-Jahren, als sie 10 bis 15 Kinder in einer Gruppe betreute. „Wir mussten uns den Ton von der Halde des Tagebaus besorgen“, erzählte sie. „Wir konnten ihn nicht einfach kaufen. Er wurde geschlemmt, gestampft und geschlagen, damit wir mit ihm arbeiten konnten.“
Es gab damals eine Menge zu tun: Der Keramikzirkel stellte zu DDR-Zeiten Auftragsarbeiten her, z.B. für den Jugendwettbewerb „Die Messe der Meister von morgen“ oder für die deutsch-polnischen Kulturtage der Bergleute. Als 1973 der erste Strandabschnitt des Senftenberger Sees eröffnet wurde, fertigte Lehmann mit ihren Kindern für diesen Festakt eigens Kacheln an. „Unsere Produkte waren sehr attraktiv, sie wurden bei Ausstellungen hin und her gereicht“, erinnerte sich die Leiterin des Keramikzirkels, der heute als AG unter dem Dach des Birkchens beheimatet ist.
Seit der Wende ist es sehr viel ruhiger geworden. Für Maria Lehmanns Keramikzirkel – aber auch im Margaer Vereinsleben generell. Oft bleibt die Organisation an zu wenigen Menschen hängen. Als Dörte Matthies mit einiger Verspätung am Erzählsalon-Tisch saß, erzählte sie, wie schwer es sei, die Vereinsarbeit im Birkchen ohne entsprechende Mittel zu gewährleisten. Der Aufwand sei zu groß. „Es ist verdammt schwierig, wenn man manchmal zu nichts anderem kommt als sauber zu machen“, erzählte sie. Und auch ehrenamtliche Arbeit müsse organisiert und koordiniert werden, so die stellvertretende Birkchen-Vorsitzende. Als einer, der das lokale Vereinsleben von der Pieke auf kennt, weiß ihr Sitznachbar Walter Karge um die Herausforderung, Menschen zu gewinnen, die rundum Verantwortung übernehmen, Menschen wie Dörte Matthies. „Man darf nicht viel reden, sondern man muss machen“, sagte er. „Und das geht nicht nebenbei. Wir müssen die Verbindung zur Stadt suchen.“
Die Erzählsalon-Teilnehmer sind sich sicher, dass es in Marga genügend Potential gibt. Problematisch sei jedoch, dass viele Vertreter des früheren Vereinslebens weggezogen sind und es keinen lebendigen zentralen Anlaufpunkt mehr gibt in Brieske, wenig gemeinschaftliche Treffpunkte. Für Zugezogene ist Marga bzw. Brieske vor allem Wohngegend. Zum Arbeiten, Einkaufen und Vergnügen fahren sie in benachbarte Orte oder gar nach Cottbus, Dresden und Berlin.
Der Erzählsalon könnte ein neuer Kristallisationspunkt für die Einwohner des Ortsteils werden – zum gegenseitigen Kennenlernen und für den Austausch von Ideen. Damit Marga als Lebensmittelpunkt wieder erfahrbarer wird, braucht es aber auch die vielen neu Zugezogenen. Sie sind zusammen mit den alteingesessenen Bewohnern des Ortsteils eingeladen, beim nächsten Erzählsalon im Birkchen zu erzählen, welche Erwartungen sie an die Zukunft ihrer Heimat haben. Deshalb lautet das Thema am Dienstag, den 23. Februar 2016, um 17 Uhr: „Was ich mir für Marga wünsche“. Der Eintritt ist wie immer frei. Anmeldungen sind erbeten unter Tel.: 035753/37021.
Weitere Informationen finden Sie auf www.lausitz-an-einen-tisch.de
Foto: Sebastian Bertram
Quelle: Kommunikation Rohnstock Biografien