Eine weitere Premiere zum Schauspielthema „Deutschland – Wunder und Wunden“ gab es am Samstagabend im Staatstheater zu erleben. Sonnenallee – Ein Schauspiel mit Live-Musik nach dem Film-Hit von Thomas Brussig, Detlev Buck und Leander Haußmann – aber dieses Mal in der hauseigenen Fassung unter der Regie von Stefan Wolfram.
Es gibt wohl kaum jemanden, der die Komödie aus dem Jahr 1999 nicht mindestens einmal im Kino oder auf DVD gesehen hat. Was in der damaligen DDR alltäglich war, erscheint aus heutiger Sicht recht fabulös und für junge Theaterbesucher unvorstellbar.
Erzählt wird die Geschichte einer Schülerclique, die zwischen Mauerbau und Perestroika erwachsen werden: Micha (gespielt von Johannes Kienast) wohnt am kürzeren Ende der Sonnenallee, deren längeres Stück in West-Berlin liegt. Er lebt im Grenzgebiet an der Mauer, muss ständig seinen Ausweis bei sich tragen und wird auch regelmäßig kontrolliert, obwohl der “Abschnittsbevollmächtigte” ihn seit Jahren kennt. Micha schwärmt von der Schulschönheit Miriam, die aber vom besseren Leben im Westen träumt.
Michas Freund Mario (gespielt von Jochen Paletschek) rebelliert so ziemlich gegen alles und jeden. Für ihn ist es beschlossene Sache, dass er keinesfalls zum Militär geht. Micha dagegen ist da doch etwas geradliniger, schließlich will er mal in Moskau studieren. Und dann ist da noch Wuschel (gespielt von Michael von Bennigsen), der Jüngste in der Gruppe, der nicht von Frauen und Freiheit träumt, sondern vom Rolling-Stones-Doppelalbum “Exile on Main Street”. 250 Ostmark will der Schwarzhändler dafür haben, und damit ist es für Wuschel so unerreichbar wie der Westen für Miriam – und Miriam für Micha. Dann sind da noch Appel und Brötchen. Während der eine nur Jeans mit Glöckchen trägt, welche ihm seine Westverwandtschaft geschickt hat, versucht der andere mit dem zu leben, was ihm die “100prozentigen” Eltern geben. Während Micha sich mit erfundenen tiefsinnig daherkommenden Tagebüchern in Miriams Herz schreibt, verliebt sich Mario in die existenzialistische Aussteigerin Sabrina, die mit einem Tollkirschen-Cola-Gebräu aus Marios harmlosen Partygästen taumelnde Wahnsinnige mit blutroten Augen macht.
Locker ineinandergeschlungen und mit irrsinnig witzigem Wortspiel erzählt das Stück die verschiedenen Kleindramen der Jugend. Den ersten Lacher ernten die Akteure gleich zu Beginn, als sie in herrlich ostalgischen Shirts und eigenem Stielkamm die Bühne betraten.
Bei der Ausstattung hat sich Mathias Rümmler große Mühe gegeben, alles stilecht zusammenzutragen. Freudiges Juchzen war im Publikum beim Wiedersehen des originalen Sternrekorders zu vernehmen. Auch die Mimik des Grenzsoldaten war köstlich. Überhaupt weiß man gar nicht, wen man besonders hervorheben sollte – alle Mitwirkenden haben so herrlich überzeugend und energiegeladen gespielt. Mitglieder des Jugendclubs des Staatstheaters standen ebenso auf der Bühne – die jungen Schauspieltalente konnten hier sehr facettenreich ihr Können beweisen. Als Schüler der Wilhelm-Pieck-Oberschule waren sie sowohl singend als auch tanzend zu erleben.
Die Studenten der Musikpädagogik der BTU Cottbus-Senftenberg begleiteten das ganze Stück mit Live-Musik von den Rolling Stones bis Renft sowie Pionierliedern – und sie können nicht nur exzellent musizieren, sondern sahen dazu noch zum Schießen aus: Orangefarbene Schlaghosen, welche vor lauter Chemiefasern hätten Funken schlagen müssen, Oberlippenbärte und Vokuhila-Frisuren – herrlich!
Nach sehr unterhaltsamen zwei Stunden dieser Komödie über das Leben endete der Premierenabend mit langem tobendem Applaus.
Wenn Sie, liebe Leser, wissen möchten, ob es Wuschel gelingt, sein Stones-Album zu bekommen oder wie Thomas Harms in geschmuggelten Feinstrumpfhosen aussieht, dann sollten Sie sich dieses Stück nicht entgehen lassen.
Die Premiere war (wie auch bereits die Vorstellungen am 10. und 21. Februar) ausgebucht. Für die Vorstellung am 15. Februar, 16.00 Uhr, gibt es noch Restkarten. Karten sind erhältlich für die Vorstellungen am 11. März, 17. März und 21. März, jeweils 19.30 Uhr.
Ticket-Telefon: 0355/ 7824 24 24
Alle Fotos dieses Beitrages stammen von Marlies Kross und wurden freundlichst vom Staatstheater Cottbus zur Verfügung gestellt.