Am Wochenende besuchten Tausende das Lehder Freilandmuseum. In Zusammenarbeit mit der Kahnfährgenossenschaft Großer Hafen, dem Spreewald-Museum und dem Rubisco-Verein wurde den Gästen eine Zeitreise in die Spreewald-Vorweihnacht wie vor 100 Jahren ermöglicht.
Der Beobachter im Lübbenauer Hafen hätte leicht auf den üblichen Kahnfahrtourismus zu Pfingsten schließen können. Aber es geht auf Weihnachten zu, die Kahnfahrgäste sind dick eingemummelt und bekommen noch zusätzlich Decken gereicht, und einen Glühwein, der es in sich hat. Käpt‘n Kasulke (Birger Markuse) sorgt für gute Stimmung und einen geordneten Ablauf am Kahneinstieg. Viele Stammbesucher der Lehder Freiluftveranstaltungen erkennen in ihm den Nachwächter Kamenke wieder. Unterwegs spricht diesmal nicht der Fährmann, sondern ein Lutki. Pia Guthke in der Gestalt einer dieser dienstbaren Spreewälder Sagengestalt, erzählt Sagen und Geschichten. Sie und viele andere Schülerinnen und Schüler der Lübbenauer Traugott-Hirschberger-Grundschule begleiten die Kähne auf ihrer halbstündigen Fahrt nach Lehde. Bestens unterhalten und gar nicht ausgekühlt, tauchen die Besucher in das Lehder Weihnachtsleben ein – so, wie es wohl vor 100 Jahren gewesen sein mag.
Im Stall liegen die Kinder auf Stroh und lauschen den Weihnachtsmärchen, ganz klassisch oder als Zugeständnis an die neue Zeit, als Film mit dem Beamer an die Stallwand geworfen. Korbflechter und Seiler zeigen ihr Können, Hausfrauen stricken Socken und bessern die Tracht aus. Dazwischen immer mal wieder Stände mit alter Handwerkskunst. Dicht umlagert der Stand der Kittlitzer Förderschule im Kuhstall. Lehrer Dietmar Zocher hat alle Hände voll zu tun, die von Schüler gefertigten kleinen Kunstwerke ganz ökologisch in Zeitungspapier zu wickeln. „Jedes ein Unikat, keines gibt es noch einmal“, wirbt er erfolgreich um Einnahmen für den Schulförderverein. Museumspädagogin Mareike Breuer malt mit Kindern Weihnachtsbaumkugeln im mit Heißluft beheizten Zelt an, in der großen Scheune basteln Eltern gemeinsam mit ihren Kindern. Und draußen pendelt der Rumpodich hin und her, immer mal wieder die Kinder in den kleiner werden Geschenkesack greifen zu lassen. Uwe Brattke teilt sich die Aufgabe mit Andreas Harms. Abwechselnd schlüpften sie in den Schaffellmantel und die Filzstiefel. „Ich muss immer wieder erklären, dass ich nicht der Weihnachtsmann und auch nicht der Nikolaus bin, sondern die Spreewälder Ausgabe der beiden, der Rumpodich“, erzählt Uwe Brattke. „Wer mich richtig anspricht, darf sich ein Geschenk aussuchen, die anderen bekommen mit der Rute“, bringt er seinen Bildungsauftrag auf den Punkt.
Als die Dunkelheit anbricht, taucht plötzlich eine weiß gekleidete Gestalt auf. Ihr Gesicht ist verhüllt, an ihrem Arm eine Führfrau. Schweigend legt das Bescherkind ihre Rute auf die Schulter der Besucher, schweigend wird Glück gewünscht. Sich der Zeremonie bewusst, halten die für einen Moment inne.
Museumsdirektor Stefan Heinz ist vollauf zufrieden: „Wir haben einen sehr großen Besucheransturm, den wir zwar ein wenig erhofft, aber letztlich nicht erwartet haben. Dank aller Mitarbeiter, die eine Woche lang nur mit den Vorbereitungen beschäftigt waren, haben wir das bewältigt. Jeder packt an, wo es Not tut!“ Sprach ’s, und schnappte sich die Greifzange, um Müll aufzunehmen. Dass das Konzept voll aufgegangen ist, beweisen auch die Besuchermeinungen. Der Schotte Andrew Ainslie war besonders angetan: „In meiner Heimat wird Weihnachten nicht ganz so aufwendig vorbereitet und gefeiert. Heute habe ich mal erlebt, wie eine klassische deutsche Weihnacht ist.“ Er macht da keinen großen Unterschied, andere Gäste schon. „Es ist wohltuend zu erleben, dass sich dieser Weihnachtsmarkt deutlich vom Kommerz, wie er manchmal praktiziert wird, unterscheidet“, erzählt Christina Brecher aus Leuna. „Zusätzlich erfährt man hier noch, wie die sorbische Minderheit das Fest vorbereitet.“
Zum Ende des Abends hin machen sie Besucher wieder auf den Heimweg. Die einen fahren mit dem Kahn in die Nacht, die anderen lassen sich von Fackelträgern zurück nach Lübbenau führen.
Peter Becker/peb1
- 07.12.14