Mitglieder des Motorradclubs „Hells Angels“ müssen in Brandenburg künftig mit Strafverfahren und Beschlagnahmen rechnen, wenn sie weiterhin in der Öffentlichkeit das Symbol des geflügelten Totenkopfes und den Schriftzug Hells Angels zeigen. Das teilten Innen- und Justizministerium am Donnerstag in Potsdam mit. Beide Symbole sind unverkennbare äußere Kennzeichen des Clubs. Generalstaatsanwaltschaft und Polizeipräsidium ziehen damit die Konsequenz aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom April diesen Jahres, wonach beide Embleme seit einem Verbotsverfahren des Bundesinnenministeriums gegen den „Hells Angels MC“ aus dem Jahr 1983 vereinsrechtlich verbotene Kennzeichen sind. Sie unterliegen damit dem strafbewehrten Verwendungsverbot.
Innenminister Ralf Holzschuher betonte am Rande der Innenministerkonferenz in Bonn: „Mit diesem Schritt setzt Brandenburg seinen klaren Kurs zur Bekämpfung von Rockerkriminalität konsequent fort. Rockerclubs wie die Hells Angels sind keine harmlosen Motorradvereine, sondern nicht selten Ausgangspunkte schwerer Kriminalität. Mit ihren öffentlich getragenen Symbolen demonstrieren sie Machtansprüche und setzen diese im Zweifel auch durch. Diese Rocker stellen sich mit ihren selbst formulierten Regeln gegen zentrale Grundlagen des Rechtsstaates wie das Gewaltmonopol des Staates. Das kann und darf der Rechtsstaat nicht hinnehmen. Das jüngste Urteil aus Hamburg bietet nun die Grundlage für ein Verbot dieser Symbole und entsprechende polizeiliche Maßnahmen für den Fall, dass dieses Verbot nicht beachtet wird.“
Justizminister Helmuth Markov sagte: „Kriminellen Rockern muss der Staat auch in geeigneter Weise repressiv begegnen. Daher wird im Land Brandenburg eine konsequente Strafverfolgung betrieben und Verfahren gegen Angehörige von Rockergruppierungen werden bei den Staatsanwaltschaften in Sonderabteilungen von besonders geschulten und erfahrenen Dezernenten bearbeitet. Liegen in einem Verfahren die Kriterien der Organisierten Kriminalität vor, werden die Ermittlungen von der Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, der grenzüberschreitenden banden- oder gewerbsmäßig begangenen Eigentumskriminalität und der Geldwäsche in Frankfurt (Oder) geführt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften und Polizei ist sichergestellt.“
Im Jahr 2013 wurden in Brandenburg insgesamt 396 Straftaten, die durch Angehörige von Rockergruppierungen (Haupt- und Unterstützerclubs) begangen wurden, von der Polizei festgestellt. Von diesen erfassten Straftaten sind insgesamt 39 Straftaten der Rockerkriminalität (d.h. Straftaten, die aus der Motivation des Täters heraus dem jeweiligen Club zugerechnet werden müssen) zuzurechnen. Im Zusammenhang mit den erfassten Straftaten wurden von der Polizei überproportional viele Mitglieder des Hells Angels MC und Angehörige von dessen Unterstützerclubs als Beschuldigte festgestellt. Als Schwerpunkte der begangenen Straftaten ließen sich im vergangenen Jahr Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und Waffengesetz, Körperverletzungs- sowie Erpressungsdelikte feststellen.
Die Hells Angels sind in Brandenburg mit insgesamt drei Chartern vertreten – den Chartern East Area und Potsdam in der Landeshauptstadt sowie einem Charter in Cottbus. Ihnen sind nach polizeilichen Erkenntnissen insgesamt rund 50 namentlich bekannte Mitglieder oder Anwärter zuzurechnen. Hinzu kommen 13 Unterstützungsgruppierungen (Supporter-Clubs) mit zusammen über 120 Angehörigen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Hells Angels MC und seine Unterstützerclubs im Land Brandenburg das größte Personen- und Bedrohungspotenzial innerhalb der polizeilich relevanten Rockerszene darstellen.
Zur entsprechenden Szene im Land gehören darüber hinaus auch die „Bandidos“ mit zwei Chaptern sowie zwei Unterstützerclubs. Den Bandidos und ihrem Umfeld werden rund 40 Personen zugeordnet. Ferner bestehen drei Chapter und ein Supporter-Club des „Gremium MC“ (GMC) mit zusammen rund 80 namentlich bekannten Angehörigen.
Hintergrund:
Brandenburg ist in den vergangenen Jahren mit Verboten und Großrazzien gegen die Rockerszene vorgegangen:
Verbote:
August 2009: Mit dem „Chicanos MC Barnim“ in Eberswalde wird erstmals in Brandenburg ein Rockerclub verboten.
Juli 2013: Verbote der „Hells Angels MC Oder-City“ und deren Unterstützergruppierung „Kurmark Oder City“.
Juli 2013: Durchsetzung des Verbots des in Brandenburg aktiven „Gremium MC Nomads Eastside“ im Zuge des Verbotes des „Regionalverbandes Gremium MC Sachsen“ durch den Bundesinnenminister.
Durchsuchungen:
März 2010: Durchsuchung von 34 Objekten der Hell Angels und des Gremium MC zur Gefahrenabwehr auf der Basis des Polizeigesetzes.
März 2010: Durchsuchung gegen Gremium MC in 29 Objekten nach Strafprozessordnung; beschlagnahmt: Marihuana, Amphetamin, Bargeld, Schuldscheine, Munition, Langwaffe.
Juli 2010: Durchsuchung bei den Hell Angels auf Grund eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Berlin-Brandenburg; beschlagnahmt: Waffen, waffenähnliche Gegenstände.
Juni 2012: Durchsuchung gegen Bandidos MC in 74 Objekten; beschlagnahmt: Waffen, Betäubungsmittel, Bargeld, Motorräder und Fahrzeuge.
Juli 2012: Durchsuchung gegen Hells Angels in 18 Objekten zur Gefahrenabwehr nach Polizeigesetz sowie nach Strafprozessordnung; beschlagnahmt: Waffen, Munition, Handbeile, Schutzwesten, Bundeswehr-Übungspatronen.
Juli 2012: Durchsuchung gegen Hells Angels in sechs Objekten zur Gefahrenabwehr nach Polizeigesetz; beschlagnahmt: Waffen verschiedener Art.
August 2012: Durchsuchungen gegen Hells Angels MC und Gremium MC in 53 Objekten zur Beweissicherung im Zuge von Ermittlungen zu zwei versuchten Tötungsdelikten; beschlagnahmt: Tatbekleidung, Tatwaffen, verschiedene Aufzeichnungen zu den beiden Straftaten.
Februar 2013: Durchsuchungen gegen Hells Angels und Kickboxszene auf Basis eines Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus sowie zur Gefahrenabwehr auf Grundlage des Landespolizeigesetzes; beschlagnahmt: Elektroschocker, Messer, Reizstoffsprühgeräte, Schutzwesten.
Juli 2013: Durchsuchung gegen Hells Angels und Gremium MC in 156 Objekten zur Durchsetzung von Vereinsverboten; beschlagnahmt: Motorräder, Rockbekleidung, Unterlagen zu Konten und Grundstücken, technische Geräte.
Selbstauflösungen:
2013: Selbstauflösung der Bandidos-Unterstützerclubs Lones MC North und Bulldogs Germany.