Yes, Vegan! Or not? Eine Frage, die sich aktuell größter Diskussionbeliebtheit erfreut. Wäre „vegan“ das meistgegoogelte Wort des Jahres 2014 … mich würde es nicht wundern. In jedem Supermarkt- oder Discounterregal prangt irgendwo vegan (naja oder zumindest vegetarisch), vielereck finden sich plötzlich gänzlich oder teilweise fleischlose Gastronomien, und auch die Medien finden mehr und mehr – mal weniger, mal mehr parteiisch – das Thema „Wie geht fleischlos glücklich?“ interessant, und hier und dort sind Köche und/oder durchtrainierte Physiker mit ihrer veganen Propaganda wahnsinnig erfolgreich.
In vielen Köpfen wandelt sich das Bild des Veganers von oll zu toll, von pfui zu hui – der Freak wird gesellschaftsfähig. Und für den, der sich gern besser zu Recht finden will, haben natürlich auch viele Verlage den verkaufszahlensteigernden Aufdruck „vegan“ für sich entdeckt – wie Pilze aus dem Boden sprießen Myriaden von Büchern.
„Vegan für alle. Warum wir richtig leben sollten“ ist eines davon, und ein durchaus lesenswertes dazu, und eines, das seinen eigenen Weg geht.
Denn was viele vergessen: hinter dem vermeintlichen Trend stecken idealistisch-optimistische Urheber, Ideen und Philosophien sowie Leidenschaft und Herzblut – die vegane Lebensweise bedeutet viel mehr als nur den Nichtverzehr von tierischen Produkten. Genau darauf konzentriert sich dieses Buch: Veganismus bedeutet so viel mehr.
Mit einer bewussteren Ernährung wandelt auch das Weltbild sich zu einem bewussteren. Eine völlig neue Welt eröffnet sich, eine voller Vielfalt. Das habe ich durch die Lektüre des Buches verstanden.
… naja und natürlich gibt es da noch die militanten Müslijochen-Hardcore-Veganer (mit denen sich jeder schon mal angelegt hat, der weniger ideologisch ist) sowie auch die üblichen schwarzen Schafe, die den Mörderreibach damit machen wollen.
Der Autor, Jan Bredack, gehört zu denen mit Leidenschaft und Herzblut, zu den unglaublich inspirierenden und passionierten aktiven Machern, zu denen, die den Veganismus in die Mitte der Gesellschaft bringen wollen, zu denen, die dabei den schmalen Grat zwischen Belehrung oder moralischem Überlegenheitsgefühl und Information unglaublich sympathisch wandern können, die an etwas glauben – eben zu denen, die diese Welt ein Stückchen besser machen wollen.
„Nichts ist so mächtig, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“ dieses Zitat Viktor Hugos stellt er an den Anfang seines Buchs und es erscheint als eine Art Mantra. So erzählt Jan Bredack im Buch dazu seine ganz eigene Geschichte und geht, wie er selber sagt, bis an seine Grenzen: vom ehemaligen Mercedes-Manager zum Gründer der Veganz-Supermärkte – dies kombiniert mit nüchtern-überzeugend dargelegten Fakten zur veganen Ernährung. Und ich muss schon staunen über diesen interessanten Lebenslauf: Vom getrimmten Stasi-Sohn, zum erfolgreichen Automechaniker, zum noch erfolgreicheren Mercedesmanager – das alles schon mit Mitte 20…dann Burnout, eine neue Liebe und damit eine neue Lebensweise und natürlich eine neue Geschäftsidee – Veganz (ein veganer Supermarkt in Berlin; kein einziges Produkt dort enthält tierische Bestandteile).
Und wenn man das so liest, vor allem im Detail, fällt eins ganz deutlich auf: Jan Bredack ist ein Mann der Extreme. Seien es nun die Stasieliteschulen, die er besuchen musste, Ausflüge in die rechte Szene, extreme Sporttreiberei, schnelle, finanzielle Erfolge und nun is(s)t er vegan, baut Veganz zur europaweiten Supermarktkette aus und will so am besten gleich die ganze Welt verändern.
Normal? Fehlanzeige. Kein Wunder, dass ihm das zuweilen Probleme bereitet. Wer was gegen ihn hat, der wird auch fündig. So geschehen bei der Lesung im Hugendubel Cottbus, während der er die „Lausitzer Freundlichkeit“ in aller Härte zu spüren bekam, aber auch Veganz musste in der Vergangenheit allerlei Shitstorms, Farbbeutelattacken oder Gegendemos über sich ergehen lassen, und so liest sich das sehr persönlich-intime Buch an einigen Stellen eben auch wie eine Rechtfertigung. Auch in unserer Redaktion polarisierte es.
Doch egal, was er in seiner Vergangenheit gemacht oder nicht gemacht hat, oder ob nun diese „Veganz“-Idee möglicherweise nur wieder ein anderes Extrem ist, das vielleicht bald vergessen wird, was zählt ist die Gegenwart. Und in dieser Hinsicht ist Jan Bredack durchaus charismatisch und überzeugend und vor allem glaubhaft authentisch vegan. Einer, der andere ganz zwanglos ermutigt es ihm gleich zu tun – ohne Du-musst-Zeigefinger-Dogma oder 100%-allround-Anleitung wie’s richtig zu gehen hat. Jeder nach seiner Façon, so schnell er will und kann, Hauptsache ohne tierische Produkte. Liebe ´feindliche´ Veganer: Ihr spielt im gleichen Team!
Und so hat er mit der letzten Seite, die ich umschlage, auch mich inspiriert und überzeugt: Nicht nur habe ich durch sein Buch endlich zu einer Gelassenheit gefunden, den militant-aggressiven Fleischessern zu begegnen, sondern ich habe nach fünf Jahren Vegetarierdasein nun auch zu meinem veganen Selbst gefunden.
Jan Bredack, das weltverbessernde „VeganWunderkind“.
Wer sich übrigens fragt, was ich da die ganze Zeit von Weltrettung und so fasele? Ja, liebe Fleischjünger: Ihr könntet die Welt im Alleingang retten. Welthunger, globale (Verteilungs-) Ungerechtigkeit, Umweltverschmutzung und so weiter, und so weiter – theoretisch alles kein Problem. Wie genau und warum? Dazu rate ich zur Lektüre des Buches.
Vegan für alle – Warum wir richtig leben sollten
Jan Bredack, Mitautor: Helmut Kuhn
Erschienen am 14.04.2014
256 Seiten, Laminierter Pappband
ISBN: 978-3-492-05630-4
€ 19,99 [D], € 20,60 [A], sFr 28,90
als Hardcover und E-Book
www.piper.de/buecher/vegan-fuer-alle-isbn-978-3-492-05630-4
Übernahme aus KULTURMAGAZIN BLICKLICHT, Cottbus-Lausitz, Ausgabe Juni 2014, www.kultur-cottbus.de