Den Neuankömmlingen in der Augenabteilung malen Schwestern ein Kreuz über das zu operierende Auge.
Sicher ist sicher. Einige der Ärzte aus Polen, Zypern, Rußland… haben Probleme beim Lesen der medizinischen Unterlagen.
Die Patienten – meist ältere Leute, verharren still, mit gefalteten Händen über den Knieen, bis man ihnen ein Bett zuweist.
Im Zimmer murmeln sie verlegen: “Guten Tag, ich bin der Klaus, ich bin die Hannah ….”
Förmlichkeiten sind fehl am Platz, Knigge logiert woanders. Nach Schrankeinräumen, dem Bett testen, beginnt das Kennenlernen. Mein Nachbar:breit, robust, kommt von der Scholle; Landwirt, mit Äckern bis zum Horizont.
Unterbrochen von Visite, Essenfassen, Medikamenteneinnahme, verrinnt der Ankunftstag.
Vor Aufregung schläft in der ersten Nacht niemand; jeder horcht in sich hinein,durch die bevorstehende Operation beunruhigt, aufgewühlt.
In der zweiten Nacht nervt das umgebundene Blutdruck – Messgerät, dessen Manschette sich alle halbe Stunde aufpumpt.
Ab dann geht es. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Wer sich tagsüber nicht beschäftigen kann, tigert die langen Krankenhauskorridore auf und ab.
Da Radio und Fernsehen bezahlt werden muss, herrscht in der Station angenehme Ruhe; nur durch das Klappern der Essenwagen um 7 ,12 und 18 Uhr unterbrochen.
Die im Schichtdienst tätigen Schwestern agieren eingespielt, routiniert. “Setzen Sie sich lieber hin, beim Blutabnehmen …. Die meisten Männer können kein Blut sehen, fallen um, ist einfach so”, lacht eine hübsche Brünette.
Am nächsten Morgen ist es soweit: OP – Kleidung, Beruhigungstablette, den Gang entlang gerollt, bequemerweise gleich im eigenen Bett; noch einmal Bestätigung, welches Auge – dann schrammen drei Spritzen am Augapfel vorbei, scheinbar bis ins Gehirn.
Nach einer dreiviertel Stunde ist es vorbei. Ich nehm’ den Schmerz mit.
Der Landwirt , der durch’s Zimmer stapft , fragt : ” wie war’s ? ” Ich zucke mit den Schultern; Schmerz baut sich ein Nest, richtet sich ein .
“Nächste Woche bin ich hier weg,” verkündet der Bauer , “die Frühjahrsaussaat beginnt- sowieso schon viel zu spät , in diesem Jahr. Hoffentlich kann ich bis dahin wieder sehen. Erst das Wetter, nun die Augen,” flucht er .
“Gut, dass ich wenigstens meinen Hanomag in Schuss gebracht habe …musste dir mal anschauen: feines Ding, Oldtimer …damit ist schon mein Großvater über die Felder getuckert ….”
“Klar”, ich nicke, – verschweige, dass ich im OP-Saal etwas von einem “hoffnungslosen Fall ” gehört habe.
Wer war damit gemeint? Warum wurde so geflüstert?
Verdammt, die Betäubung wirkt immer noch.
….”Baujahr 51, 4 Zylinder, 46 PS”
Meine Gedanken kriechen träge …. wie ein Käfer, der in eine Öllache gefallen ist: finden keine Antwort.
“Marienkäfer flieg’, der Vater ist im Kriege, die Mutter ist in Engelland und Engelland ist abgebrannt …”