Ja, wie war das so für die Nachkriegsjahrgänge? In den darben Zeiten der späten Vierziger und den Fünfzigern. Irgendwie habe ich diese Zeit als Kind in guter Erinnerung. Wir hatten so viele Freiheiten und das, obwohl ja Strenge herrschte. Unsere Eltern waren streng, aber wir verbrachten viel Zeit miteinander.
Was haben wir gemacht, was mussten wir tun, was durften wir tun ….
Für einen Jungen oder ein Mädchen auf dem Land war es ganz selbstverständlich, im Garten mitzuhelfen. Alle meine Freunde halfen zu Hause mit. Umgraben, hacken, aussähen, ernten.
Abends saß die ganze Familie mit Messern um eine Zinkwanne, köpfte Mohnkapseln und schüttete den Mohn in die Wanne. Oder wir schnippelten Bohnen oder puhlten Erbsen. Viele Stunden. Wir redeten miteinander, wir lernten von unseren Eltern, hörten gebannt den Erlebnissen ihres Lebens zu. Oder wir sangen gemeinsam während wir um die große Zinkwanne saßen.
Die Ablenkung des Fernsehens gab es nicht. Niemand im Bekanntenkreis hatte ein Fernsehgerät. Das war Zukunftsmusik. Kaum jemand hatte ein Telefon. Auch dadurch wurden wir nicht gestört
Morgens ging es in die Schule, natürlich zu Fuß. Mein Schulweg dauerte nur 40 Minuten, andere Kinder hatten längere Wege. Im Sommer, bei Regen im Winter bei tiefem Schnee. Es war eben so.
So ewas wie ein Schulbus war unbekannt.
In der Schule verabredeten wir uns für den Nachmittag. Was haben wir doch für Abenteuer erlebt.
Fangen oder ‘packen’ spielen nur auf Bäumen. Es gab so eine schöne Baumgruppe mit Eichen, Linden und Buchen. Wer den Boden berührte, war dran. Es kam schon mal vor, dass einer von uns den direkten Weg von oben auf den Boden nahm. Das tat weh, aber beklagt haben wir uns nicht. Hätte nur Ärger zu Hause gegeben. Abschürfungen an den Beinen oder Armen wurden ganz simpel desinfiziert .. mal eben zur Seite gehen, den Rücken zu den Freunden. Urin desinfiziert, das wussten wir.
Wenn wir mal krank wurden, Schnupfen und Husten galt nicht als Krankheit, und heftig Fieber hatten, gab es Wadenwickel. Ein bißchen Fieber war schließlich noch lange kein Grund um einen Arzt aufzusuchen. Und wenn es dann noch Haferschleim und Kamillentee gab, liefen die Kräfte des Körpers zur Höchstform auf.
Nur, um diesem Ekeltrunk und dieser Pampe zu entgehen. Am nächten Tag waren wir wieder fit und glücklich wieder in die Schule gehen zu dürfen.
Irgendwann einmal im tiefsten Winter so bei minus 20 Grad wollte ich einmal ein ‘Auszeit’ … hatte keine Lust mehr, durch den hohen Schnee zu stapfen. Machte draußen meinen Oberkörper frei und goß mir eiskaltes Wasser über den Hals und wartete bis ich bibberte. Hat nicht funktioniert, kein Fieber, kein Schnupfen, einfach nix.
Dann kam der Frühling, wir stromerten durch die Natur, beoachtenen Insekten, sahen in Vogelnester mit gerade gelegten Eiern, fingen Kaulquappen und fütterten sie mit Wasserflöhen, sammelten die frischen Triebe des Löwenzahn, sammelten Sauerampfer und andere Kräuter. Ergab immer einen leckeren Salat. Walderdbeeren und Brombeeren wurden so nebenbei genascht. Was für ein wunderbares Leben.
Am Wochenende bauten wir Drachen, unsere Väter zeigten uns wie das geht, und ließen sie steigen. König, der einen Kastendrachen sein eigen nannte.
Sonntags war ‘Fleischtag’, da gab es einen Braten und am Nachmittag herrlich duftenden, frischen, selbstgebackenen Kuchen oder Torte. Die Erdbeerzeit gehörte zu den kulinarischen Höhepunkten des Jahres.
In den Ferien verdienten wir uns Geld beim ‘Verziehen der Rüben’. 10 Pfennig gab für eine endlos lange Reihe, 20 Pfennig für zwei Reihen. Nachmittags kam der Trecker und brachte Milchkaffee und Rosinenbrötchen. Oh wie lecker.
Gebannt schauten wir auf den Lantz Bulldog, der den Anhänger zog. Dieses sonore pott .. pott … pott …
Und am Tage der Abrechnung nach vielen Tagen und langen Reihen in der brütenden Sonne hatten wir 20 Mark verdient. Mit stolzem Haupt gingen wir nach Hause. Ein Vermögen. Die Welt stand uns offen …..
Der Traum eines eigenen Fahrrades rückte in greifbare Nähe. Selbst verdient.
Erinnere mich an all das, was so im Garten und auf den Obstbäumen gedeihte. Die ersten Möhren, die ersten Gurken, das erste Obst. Das war alles so lecker. Irgandwann war die Zeit, Sauerkraut herzustellen. Schön geschichtet in einem riesigen Steintopf mit einem umgedrehten Teller drauf und beschwert mit einem großen Stein. Wenn das Sauerkraut fertig war, mal eben in den Keller, den Teller heben und ein wenig naschen. Ganz schnell um nicht erwischt zu werden.
Wir hatten zu Weihnachen keine Erdbeeren oder Spargel, Fleisch gab es nur Sonntags, wir haben mitgeholfen, wir hatten keine Helme beim Radfahren, wir hatten Schrammen immer wieder an Beinen und Armen.
Aber unsere strengen Eltern hatten trotz der langen Arbeitstage Zeit für uns, haben mit uns geredet. Wir haben immer gemeinsam an einem Tisch gegessen.
Es war eine wunderbare Kindheit. Ohne Computer, Internet, Telefon, Handy, Fernsehen und Gameboy.
Überlebt haben wir auch … und glücklich waren wir ….
Und wenn ich heute Kraft tanken möchte, gehe ich in die Natur, hocke mich an einer Blume hin und sehe einfach nur zu, was da für pralles Leben ist.
Foto 1 © Blunck, Herbert, Bundesarchiv, Bild183-R0210-336 / CC-BY-SA
Das Foto wurde bei wikipedia.org unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht.
Foto 2: Ja, so sah ich 1949 aus
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Ja, wie war das so für die Nachkriegsjahrgänge? In den darben Zeiten der späten Vierziger und den Fünfzigern. Irgendwie habe ich diese Zeit als Kind in guter Erinnerung. Wir hatten so viele Freiheiten und das, obwohl ja Strenge herrschte. Unsere Eltern waren streng, aber wir verbrachten viel Zeit miteinander.
Was haben wir gemacht, was mussten wir tun, was durften wir tun ….
Für einen Jungen oder ein Mädchen auf dem Land war es ganz selbstverständlich, im Garten mitzuhelfen. Alle meine Freunde halfen zu Hause mit. Umgraben, hacken, aussähen, ernten.
Abends saß die ganze Familie mit Messern um eine Zinkwanne, köpfte Mohnkapseln und schüttete den Mohn in die Wanne. Oder wir schnippelten Bohnen oder puhlten Erbsen. Viele Stunden. Wir redeten miteinander, wir lernten von unseren Eltern, hörten gebannt den Erlebnissen ihres Lebens zu. Oder wir sangen gemeinsam während wir um die große Zinkwanne saßen.
Die Ablenkung des Fernsehens gab es nicht. Niemand im Bekanntenkreis hatte ein Fernsehgerät. Das war Zukunftsmusik. Kaum jemand hatte ein Telefon. Auch dadurch wurden wir nicht gestört
Morgens ging es in die Schule, natürlich zu Fuß. Mein Schulweg dauerte nur 40 Minuten, andere Kinder hatten längere Wege. Im Sommer, bei Regen im Winter bei tiefem Schnee. Es war eben so.
So ewas wie ein Schulbus war unbekannt.
In der Schule verabredeten wir uns für den Nachmittag. Was haben wir doch für Abenteuer erlebt.
Fangen oder ‘packen’ spielen nur auf Bäumen. Es gab so eine schöne Baumgruppe mit Eichen, Linden und Buchen. Wer den Boden berührte, war dran. Es kam schon mal vor, dass einer von uns den direkten Weg von oben auf den Boden nahm. Das tat weh, aber beklagt haben wir uns nicht. Hätte nur Ärger zu Hause gegeben. Abschürfungen an den Beinen oder Armen wurden ganz simpel desinfiziert .. mal eben zur Seite gehen, den Rücken zu den Freunden. Urin desinfiziert, das wussten wir.
Wenn wir mal krank wurden, Schnupfen und Husten galt nicht als Krankheit, und heftig Fieber hatten, gab es Wadenwickel. Ein bißchen Fieber war schließlich noch lange kein Grund um einen Arzt aufzusuchen. Und wenn es dann noch Haferschleim und Kamillentee gab, liefen die Kräfte des Körpers zur Höchstform auf.
Nur, um diesem Ekeltrunk und dieser Pampe zu entgehen. Am nächten Tag waren wir wieder fit und glücklich wieder in die Schule gehen zu dürfen.
Irgendwann einmal im tiefsten Winter so bei minus 20 Grad wollte ich einmal ein ‘Auszeit’ … hatte keine Lust mehr, durch den hohen Schnee zu stapfen. Machte draußen meinen Oberkörper frei und goß mir eiskaltes Wasser über den Hals und wartete bis ich bibberte. Hat nicht funktioniert, kein Fieber, kein Schnupfen, einfach nix.
Dann kam der Frühling, wir stromerten durch die Natur, beoachtenen Insekten, sahen in Vogelnester mit gerade gelegten Eiern, fingen Kaulquappen und fütterten sie mit Wasserflöhen, sammelten die frischen Triebe des Löwenzahn, sammelten Sauerampfer und andere Kräuter. Ergab immer einen leckeren Salat. Walderdbeeren und Brombeeren wurden so nebenbei genascht. Was für ein wunderbares Leben.
Am Wochenende bauten wir Drachen, unsere Väter zeigten uns wie das geht, und ließen sie steigen. König, der einen Kastendrachen sein eigen nannte.
Sonntags war ‘Fleischtag’, da gab es einen Braten und am Nachmittag herrlich duftenden, frischen, selbstgebackenen Kuchen oder Torte. Die Erdbeerzeit gehörte zu den kulinarischen Höhepunkten des Jahres.
In den Ferien verdienten wir uns Geld beim ‘Verziehen der Rüben’. 10 Pfennig gab für eine endlos lange Reihe, 20 Pfennig für zwei Reihen. Nachmittags kam der Trecker und brachte Milchkaffee und Rosinenbrötchen. Oh wie lecker.
Gebannt schauten wir auf den Lantz Bulldog, der den Anhänger zog. Dieses sonore pott .. pott … pott …
Und am Tage der Abrechnung nach vielen Tagen und langen Reihen in der brütenden Sonne hatten wir 20 Mark verdient. Mit stolzem Haupt gingen wir nach Hause. Ein Vermögen. Die Welt stand uns offen …..
Der Traum eines eigenen Fahrrades rückte in greifbare Nähe. Selbst verdient.
Erinnere mich an all das, was so im Garten und auf den Obstbäumen gedeihte. Die ersten Möhren, die ersten Gurken, das erste Obst. Das war alles so lecker. Irgandwann war die Zeit, Sauerkraut herzustellen. Schön geschichtet in einem riesigen Steintopf mit einem umgedrehten Teller drauf und beschwert mit einem großen Stein. Wenn das Sauerkraut fertig war, mal eben in den Keller, den Teller heben und ein wenig naschen. Ganz schnell um nicht erwischt zu werden.
Wir hatten zu Weihnachen keine Erdbeeren oder Spargel, Fleisch gab es nur Sonntags, wir haben mitgeholfen, wir hatten keine Helme beim Radfahren, wir hatten Schrammen immer wieder an Beinen und Armen.
Aber unsere strengen Eltern hatten trotz der langen Arbeitstage Zeit für uns, haben mit uns geredet. Wir haben immer gemeinsam an einem Tisch gegessen.
Es war eine wunderbare Kindheit. Ohne Computer, Internet, Telefon, Handy, Fernsehen und Gameboy.
Überlebt haben wir auch … und glücklich waren wir ….
Und wenn ich heute Kraft tanken möchte, gehe ich in die Natur, hocke mich an einer Blume hin und sehe einfach nur zu, was da für pralles Leben ist.
Foto 1 © Blunck, Herbert, Bundesarchiv, Bild183-R0210-336 / CC-BY-SA
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Foto 2: Ja, so sah ich 1949 aus
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