Gestern traf ich mich mit dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković zu einem Gespräch. Geboren und wohnhaft in Lübeck, Rechtsanwalt, Richter am Bundesgerichtshof a.D., kein Mitglied einer Partei, von den LINKEN im Wahlbezirk Cottbus/Spree-Neiße als Kandidat aufgestellt, seit 2005 im Bundestag und 2009 direkt in den Bundestag gewählt. Verbunden mit der Lausitz, wie er auf seiner Homepage schreibt.
Heute ist er, obwohl nicht Mitglied der LINKEN, Justiziar und Vorstandsmitglied der Fraktion DIE LINKEN im Bundestag.
Interessant; es reizte mich ungemein zu erfahren, wer Wolfgang Nešković ist, für was er steht.
Wir treffen uns im Bürgerbüro der LINKEN in Cottbus. Unkompliziert ist er, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Du.
Mich interessiert das tiefe Misstrauen zwischen Volk und Regierung, er ist ja Bundestagsabgeordneter. Lassen wir die Landespolitik erst einmal beiseite.
Helmut P. Fleischhauer: Augenscheinlich gibt es ein tiefes Misstrauen der Bürger gegenüber der Politik. Sie glauben den Politikern, der Regierung einfach nicht mehr. Möchte an die ‘Wutbüger’, so stand es ja in den vergangenen Tagen in den Zeitungen, erinnern, die sich gerade gegen die dritte Startbahn des Flughafens München ausgesprochen haben. Und prompt kommt die Landesregierung und sagt, das gelte nur für München und man könne die dritte Startbahn ja trotzdem bauen. So etwas muss doch dazu führen, dass Bürger den Eindruck bekommen .. die da oben machen ja doch was sie wollen.
Wolfgang Nešković: Den Begriff ‘Wutbürger’ verwende ich nicht, weder schriftlich noch mit Worten. Wut bedeutet unkontrolliertes Handeln. Die Bürger, die sich auflehnen, wissen sehr genau, warum sie es tun und warum sie sich engagieren. Das Wort ‘Wutbürger’ ist eine Diffamierung der Ernsthaftigkeit der Anliegen der Bürger.
Wir leben – so möchte ich das einmal ausdrücken – in einer unübersichtlichen Zeit. Die Lebenssachverhalte sind sehr kompliziert und die Anforderungen an ihr Verständnis sehr hoch. Zwischen Politik und Bürgern gibt es deswegen Empfangsstörungen – wohlgemerkt in beide Richtungen. Die heutige Medienwelt leistet ihren Beitrag dazu, indem sie die Kompliziertheit vereinfacht und banalisiert. So werden Diskussionen nicht versachlicht, sondern zu einem Wettstreit, in dem es darum geht, wer die beste Show abliefert. Dabei wird nicht einmal gefragt, ob die Zuschauer an solchen auf Unterhaltung und nicht auf Wissensvermittlung ausgerichteten Sendungen überhaupt ein Interesse haben.
H.F. Wie sollte es sein?
W.N. Wir brauchen eine andere Medienpolitik. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen sich wieder deutlicher ihres Informationsauftrages bewusst werden und sich vom ‘Mainstream’ der Privatsender abgrenzen. Wir brauchen viel mehr Informationen. Wenn z.B. nur zwei Personen über das schwierige und komplexe Thema ‘Sicherheitsverwahrung’ 90 Minuten lang diskutieren können und ihre Gedanken, Überlegungen und Argumente darstellen können, ist das besser als wenn sechs Personen das Thema in 45 Minuten abhandeln. Bei solchen Talkshows steht dann immer die Frage im Vordergrund, wer gewonnen oder verloren hat, nicht jedoch die Frage, wer hat verständiger argumentiert und erklärt. PHOENIX, 3sat und arte sind Fernsehsender, die meinem Verständnis vom Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten am nächsten kommen. Bei diesen Sendern wird noch deutlich, dass auch in der Medienpolitik der Satz gilt: Die Mutter der Wahrheit und der Gerechtigkeit ist die Zeit. Wir brauchen diese Zeit, um mit den Bürgern zu kommunizieren. Nur so können wir ihre Meinung erfahren und auch konkrete Sachverhalte erklären.
H.F.: Zurück zu der Unzufriedenheit der Bürger … Welche Visionen haben Sie?
W.N.: Viele. Insbesondere wünsche ich mir mehr soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft und weltweit. Um dies zu erreichen, sind kritische und widerborstige Bürgerinnen und Bürger gefragt. In einer Demokratie können sie sehr mächtig sein. Wenn sie sich widersetzen und hartnäckig genug sind, können sie viel erreichen …
H.F.: … Stichwort Tagebaue, das ist ja ein Problem der Region …
W.N.: Weder Herr Oettinger -der EU-Kommissar für Energie- noch die Kanzlerin reden, wenn es um die Zukunft der Energiepolitik geht, noch über Braunkohle. Die Braunkohle hat weder in Deutschland noch in Europa eine Zukunft. Auch das Thema CCS ist in Deutschland und Europa auf absehbare Zeit gestorben. Deswegen kann es auch kein neues Kohlekraftwerk Jänschwalde geben. Vattenfall hat ausdrücklich erklärt, dass es ohne CCS-Technik kein neues Kohlekraftwerk bauen wird. Ob die CCS-Technik in ferner Zukunft bei CO2-Abscheidungen im Industriebereich noch zur Anwendung kommen wird, ist offen.
H.F.: Sind dann die Aktionen von Vattenfall nur etwas wie ‘Hintertür offenhalten’?
W.N.: Die Investitionsplanungen bei Vattenfall sind mittelfristig darauf ausgerichtet, 80 Prozent ihrer Investitionen für die Windkraft aufzubringen. Für größere Investitionen in die Braunkohle bleibt deswegen kein nennenswerter Spielraum. Ich halte es für unverantwortlich, dass Vattenfall nicht dazu bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern in der Lausitz klaren Wein einzuschenken. Es wäre endlich angebracht, dass Vattenfall den Ausstieg aus dem Bau eines neuen Kohlekraftwerks Jänschwalde mitteilt, um den betroffenen Menschen die quälende Ungewissheit über die Verwirklichung dieses Vorhabens zu nehmen.
H.F.: Was können Bürger tun, die ihre Heimat verlieren sollen?
W.N.: Eine Heimat verkauft man nicht, eine Heimat verteidigt man. Wenn die von der Abbaggerung betroffenen Menschen dies beherzigen und entschlossen Widerstand leisten, werden sie gewinnen. Wie gesagt – die Bürgerinnen und Bürger sind sehr mächtig. Sie müssen sich dessen nur bewusst sein. Ich sehe meine Aufgabe als Bundestagsabgeordneter auch darin, sie in diesem Widerstand zu ermutigen und zu unterstützen.
H.F.: Herr Nešković, ich danke Ihnen für das Gespräch. Nun gibt noch einen sehr umfangreichen Teil über Bürgerbeteiligung und die neuen Medien, über die wir gesprochen haben. Ich denke, das sollte in einem zweiten Teil behandelt werden.
Teil zwei des Gespräches
Foto: PR
Gestern traf ich mich mit dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković zu einem Gespräch. Geboren und wohnhaft in Lübeck, Rechtsanwalt, Richter am Bundesgerichtshof a.D., kein Mitglied einer Partei, von den LINKEN im Wahlbezirk Cottbus/Spree-Neiße als Kandidat aufgestellt, seit 2005 im Bundestag und 2009 direkt in den Bundestag gewählt. Verbunden mit der Lausitz, wie er auf seiner Homepage schreibt.
Heute ist er, obwohl nicht Mitglied der LINKEN, Justiziar und Vorstandsmitglied der Fraktion DIE LINKEN im Bundestag.
Interessant; es reizte mich ungemein zu erfahren, wer Wolfgang Nešković ist, für was er steht.
Wir treffen uns im Bürgerbüro der LINKEN in Cottbus. Unkompliziert ist er, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Du.
Mich interessiert das tiefe Misstrauen zwischen Volk und Regierung, er ist ja Bundestagsabgeordneter. Lassen wir die Landespolitik erst einmal beiseite.
Helmut P. Fleischhauer: Augenscheinlich gibt es ein tiefes Misstrauen der Bürger gegenüber der Politik. Sie glauben den Politikern, der Regierung einfach nicht mehr. Möchte an die ‘Wutbüger’, so stand es ja in den vergangenen Tagen in den Zeitungen, erinnern, die sich gerade gegen die dritte Startbahn des Flughafens München ausgesprochen haben. Und prompt kommt die Landesregierung und sagt, das gelte nur für München und man könne die dritte Startbahn ja trotzdem bauen. So etwas muss doch dazu führen, dass Bürger den Eindruck bekommen .. die da oben machen ja doch was sie wollen.
Wolfgang Nešković: Den Begriff ‘Wutbürger’ verwende ich nicht, weder schriftlich noch mit Worten. Wut bedeutet unkontrolliertes Handeln. Die Bürger, die sich auflehnen, wissen sehr genau, warum sie es tun und warum sie sich engagieren. Das Wort ‘Wutbürger’ ist eine Diffamierung der Ernsthaftigkeit der Anliegen der Bürger.
Wir leben – so möchte ich das einmal ausdrücken – in einer unübersichtlichen Zeit. Die Lebenssachverhalte sind sehr kompliziert und die Anforderungen an ihr Verständnis sehr hoch. Zwischen Politik und Bürgern gibt es deswegen Empfangsstörungen – wohlgemerkt in beide Richtungen. Die heutige Medienwelt leistet ihren Beitrag dazu, indem sie die Kompliziertheit vereinfacht und banalisiert. So werden Diskussionen nicht versachlicht, sondern zu einem Wettstreit, in dem es darum geht, wer die beste Show abliefert. Dabei wird nicht einmal gefragt, ob die Zuschauer an solchen auf Unterhaltung und nicht auf Wissensvermittlung ausgerichteten Sendungen überhaupt ein Interesse haben.
H.F. Wie sollte es sein?
W.N. Wir brauchen eine andere Medienpolitik. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen sich wieder deutlicher ihres Informationsauftrages bewusst werden und sich vom ‘Mainstream’ der Privatsender abgrenzen. Wir brauchen viel mehr Informationen. Wenn z.B. nur zwei Personen über das schwierige und komplexe Thema ‘Sicherheitsverwahrung’ 90 Minuten lang diskutieren können und ihre Gedanken, Überlegungen und Argumente darstellen können, ist das besser als wenn sechs Personen das Thema in 45 Minuten abhandeln. Bei solchen Talkshows steht dann immer die Frage im Vordergrund, wer gewonnen oder verloren hat, nicht jedoch die Frage, wer hat verständiger argumentiert und erklärt. PHOENIX, 3sat und arte sind Fernsehsender, die meinem Verständnis vom Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten am nächsten kommen. Bei diesen Sendern wird noch deutlich, dass auch in der Medienpolitik der Satz gilt: Die Mutter der Wahrheit und der Gerechtigkeit ist die Zeit. Wir brauchen diese Zeit, um mit den Bürgern zu kommunizieren. Nur so können wir ihre Meinung erfahren und auch konkrete Sachverhalte erklären.
H.F.: Zurück zu der Unzufriedenheit der Bürger … Welche Visionen haben Sie?
W.N.: Viele. Insbesondere wünsche ich mir mehr soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft und weltweit. Um dies zu erreichen, sind kritische und widerborstige Bürgerinnen und Bürger gefragt. In einer Demokratie können sie sehr mächtig sein. Wenn sie sich widersetzen und hartnäckig genug sind, können sie viel erreichen …
H.F.: … Stichwort Tagebaue, das ist ja ein Problem der Region …
W.N.: Weder Herr Oettinger -der EU-Kommissar für Energie- noch die Kanzlerin reden, wenn es um die Zukunft der Energiepolitik geht, noch über Braunkohle. Die Braunkohle hat weder in Deutschland noch in Europa eine Zukunft. Auch das Thema CCS ist in Deutschland und Europa auf absehbare Zeit gestorben. Deswegen kann es auch kein neues Kohlekraftwerk Jänschwalde geben. Vattenfall hat ausdrücklich erklärt, dass es ohne CCS-Technik kein neues Kohlekraftwerk bauen wird. Ob die CCS-Technik in ferner Zukunft bei CO2-Abscheidungen im Industriebereich noch zur Anwendung kommen wird, ist offen.
H.F.: Sind dann die Aktionen von Vattenfall nur etwas wie ‘Hintertür offenhalten’?
W.N.: Die Investitionsplanungen bei Vattenfall sind mittelfristig darauf ausgerichtet, 80 Prozent ihrer Investitionen für die Windkraft aufzubringen. Für größere Investitionen in die Braunkohle bleibt deswegen kein nennenswerter Spielraum. Ich halte es für unverantwortlich, dass Vattenfall nicht dazu bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern in der Lausitz klaren Wein einzuschenken. Es wäre endlich angebracht, dass Vattenfall den Ausstieg aus dem Bau eines neuen Kohlekraftwerks Jänschwalde mitteilt, um den betroffenen Menschen die quälende Ungewissheit über die Verwirklichung dieses Vorhabens zu nehmen.
H.F.: Was können Bürger tun, die ihre Heimat verlieren sollen?
W.N.: Eine Heimat verkauft man nicht, eine Heimat verteidigt man. Wenn die von der Abbaggerung betroffenen Menschen dies beherzigen und entschlossen Widerstand leisten, werden sie gewinnen. Wie gesagt – die Bürgerinnen und Bürger sind sehr mächtig. Sie müssen sich dessen nur bewusst sein. Ich sehe meine Aufgabe als Bundestagsabgeordneter auch darin, sie in diesem Widerstand zu ermutigen und zu unterstützen.
H.F.: Herr Nešković, ich danke Ihnen für das Gespräch. Nun gibt noch einen sehr umfangreichen Teil über Bürgerbeteiligung und die neuen Medien, über die wir gesprochen haben. Ich denke, das sollte in einem zweiten Teil behandelt werden.
Teil zwei des Gespräches
Foto: PR
Gestern traf ich mich mit dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković zu einem Gespräch. Geboren und wohnhaft in Lübeck, Rechtsanwalt, Richter am Bundesgerichtshof a.D., kein Mitglied einer Partei, von den LINKEN im Wahlbezirk Cottbus/Spree-Neiße als Kandidat aufgestellt, seit 2005 im Bundestag und 2009 direkt in den Bundestag gewählt. Verbunden mit der Lausitz, wie er auf seiner Homepage schreibt.
Heute ist er, obwohl nicht Mitglied der LINKEN, Justiziar und Vorstandsmitglied der Fraktion DIE LINKEN im Bundestag.
Interessant; es reizte mich ungemein zu erfahren, wer Wolfgang Nešković ist, für was er steht.
Wir treffen uns im Bürgerbüro der LINKEN in Cottbus. Unkompliziert ist er, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Du.
Mich interessiert das tiefe Misstrauen zwischen Volk und Regierung, er ist ja Bundestagsabgeordneter. Lassen wir die Landespolitik erst einmal beiseite.
Helmut P. Fleischhauer: Augenscheinlich gibt es ein tiefes Misstrauen der Bürger gegenüber der Politik. Sie glauben den Politikern, der Regierung einfach nicht mehr. Möchte an die ‘Wutbüger’, so stand es ja in den vergangenen Tagen in den Zeitungen, erinnern, die sich gerade gegen die dritte Startbahn des Flughafens München ausgesprochen haben. Und prompt kommt die Landesregierung und sagt, das gelte nur für München und man könne die dritte Startbahn ja trotzdem bauen. So etwas muss doch dazu führen, dass Bürger den Eindruck bekommen .. die da oben machen ja doch was sie wollen.
Wolfgang Nešković: Den Begriff ‘Wutbürger’ verwende ich nicht, weder schriftlich noch mit Worten. Wut bedeutet unkontrolliertes Handeln. Die Bürger, die sich auflehnen, wissen sehr genau, warum sie es tun und warum sie sich engagieren. Das Wort ‘Wutbürger’ ist eine Diffamierung der Ernsthaftigkeit der Anliegen der Bürger.
Wir leben – so möchte ich das einmal ausdrücken – in einer unübersichtlichen Zeit. Die Lebenssachverhalte sind sehr kompliziert und die Anforderungen an ihr Verständnis sehr hoch. Zwischen Politik und Bürgern gibt es deswegen Empfangsstörungen – wohlgemerkt in beide Richtungen. Die heutige Medienwelt leistet ihren Beitrag dazu, indem sie die Kompliziertheit vereinfacht und banalisiert. So werden Diskussionen nicht versachlicht, sondern zu einem Wettstreit, in dem es darum geht, wer die beste Show abliefert. Dabei wird nicht einmal gefragt, ob die Zuschauer an solchen auf Unterhaltung und nicht auf Wissensvermittlung ausgerichteten Sendungen überhaupt ein Interesse haben.
H.F. Wie sollte es sein?
W.N. Wir brauchen eine andere Medienpolitik. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen sich wieder deutlicher ihres Informationsauftrages bewusst werden und sich vom ‘Mainstream’ der Privatsender abgrenzen. Wir brauchen viel mehr Informationen. Wenn z.B. nur zwei Personen über das schwierige und komplexe Thema ‘Sicherheitsverwahrung’ 90 Minuten lang diskutieren können und ihre Gedanken, Überlegungen und Argumente darstellen können, ist das besser als wenn sechs Personen das Thema in 45 Minuten abhandeln. Bei solchen Talkshows steht dann immer die Frage im Vordergrund, wer gewonnen oder verloren hat, nicht jedoch die Frage, wer hat verständiger argumentiert und erklärt. PHOENIX, 3sat und arte sind Fernsehsender, die meinem Verständnis vom Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten am nächsten kommen. Bei diesen Sendern wird noch deutlich, dass auch in der Medienpolitik der Satz gilt: Die Mutter der Wahrheit und der Gerechtigkeit ist die Zeit. Wir brauchen diese Zeit, um mit den Bürgern zu kommunizieren. Nur so können wir ihre Meinung erfahren und auch konkrete Sachverhalte erklären.
H.F.: Zurück zu der Unzufriedenheit der Bürger … Welche Visionen haben Sie?
W.N.: Viele. Insbesondere wünsche ich mir mehr soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft und weltweit. Um dies zu erreichen, sind kritische und widerborstige Bürgerinnen und Bürger gefragt. In einer Demokratie können sie sehr mächtig sein. Wenn sie sich widersetzen und hartnäckig genug sind, können sie viel erreichen …
H.F.: … Stichwort Tagebaue, das ist ja ein Problem der Region …
W.N.: Weder Herr Oettinger -der EU-Kommissar für Energie- noch die Kanzlerin reden, wenn es um die Zukunft der Energiepolitik geht, noch über Braunkohle. Die Braunkohle hat weder in Deutschland noch in Europa eine Zukunft. Auch das Thema CCS ist in Deutschland und Europa auf absehbare Zeit gestorben. Deswegen kann es auch kein neues Kohlekraftwerk Jänschwalde geben. Vattenfall hat ausdrücklich erklärt, dass es ohne CCS-Technik kein neues Kohlekraftwerk bauen wird. Ob die CCS-Technik in ferner Zukunft bei CO2-Abscheidungen im Industriebereich noch zur Anwendung kommen wird, ist offen.
H.F.: Sind dann die Aktionen von Vattenfall nur etwas wie ‘Hintertür offenhalten’?
W.N.: Die Investitionsplanungen bei Vattenfall sind mittelfristig darauf ausgerichtet, 80 Prozent ihrer Investitionen für die Windkraft aufzubringen. Für größere Investitionen in die Braunkohle bleibt deswegen kein nennenswerter Spielraum. Ich halte es für unverantwortlich, dass Vattenfall nicht dazu bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern in der Lausitz klaren Wein einzuschenken. Es wäre endlich angebracht, dass Vattenfall den Ausstieg aus dem Bau eines neuen Kohlekraftwerks Jänschwalde mitteilt, um den betroffenen Menschen die quälende Ungewissheit über die Verwirklichung dieses Vorhabens zu nehmen.
H.F.: Was können Bürger tun, die ihre Heimat verlieren sollen?
W.N.: Eine Heimat verkauft man nicht, eine Heimat verteidigt man. Wenn die von der Abbaggerung betroffenen Menschen dies beherzigen und entschlossen Widerstand leisten, werden sie gewinnen. Wie gesagt – die Bürgerinnen und Bürger sind sehr mächtig. Sie müssen sich dessen nur bewusst sein. Ich sehe meine Aufgabe als Bundestagsabgeordneter auch darin, sie in diesem Widerstand zu ermutigen und zu unterstützen.
H.F.: Herr Nešković, ich danke Ihnen für das Gespräch. Nun gibt noch einen sehr umfangreichen Teil über Bürgerbeteiligung und die neuen Medien, über die wir gesprochen haben. Ich denke, das sollte in einem zweiten Teil behandelt werden.
Teil zwei des Gespräches
Foto: PR
Gestern traf ich mich mit dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković zu einem Gespräch. Geboren und wohnhaft in Lübeck, Rechtsanwalt, Richter am Bundesgerichtshof a.D., kein Mitglied einer Partei, von den LINKEN im Wahlbezirk Cottbus/Spree-Neiße als Kandidat aufgestellt, seit 2005 im Bundestag und 2009 direkt in den Bundestag gewählt. Verbunden mit der Lausitz, wie er auf seiner Homepage schreibt.
Heute ist er, obwohl nicht Mitglied der LINKEN, Justiziar und Vorstandsmitglied der Fraktion DIE LINKEN im Bundestag.
Interessant; es reizte mich ungemein zu erfahren, wer Wolfgang Nešković ist, für was er steht.
Wir treffen uns im Bürgerbüro der LINKEN in Cottbus. Unkompliziert ist er, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Du.
Mich interessiert das tiefe Misstrauen zwischen Volk und Regierung, er ist ja Bundestagsabgeordneter. Lassen wir die Landespolitik erst einmal beiseite.
Helmut P. Fleischhauer: Augenscheinlich gibt es ein tiefes Misstrauen der Bürger gegenüber der Politik. Sie glauben den Politikern, der Regierung einfach nicht mehr. Möchte an die ‘Wutbüger’, so stand es ja in den vergangenen Tagen in den Zeitungen, erinnern, die sich gerade gegen die dritte Startbahn des Flughafens München ausgesprochen haben. Und prompt kommt die Landesregierung und sagt, das gelte nur für München und man könne die dritte Startbahn ja trotzdem bauen. So etwas muss doch dazu führen, dass Bürger den Eindruck bekommen .. die da oben machen ja doch was sie wollen.
Wolfgang Nešković: Den Begriff ‘Wutbürger’ verwende ich nicht, weder schriftlich noch mit Worten. Wut bedeutet unkontrolliertes Handeln. Die Bürger, die sich auflehnen, wissen sehr genau, warum sie es tun und warum sie sich engagieren. Das Wort ‘Wutbürger’ ist eine Diffamierung der Ernsthaftigkeit der Anliegen der Bürger.
Wir leben – so möchte ich das einmal ausdrücken – in einer unübersichtlichen Zeit. Die Lebenssachverhalte sind sehr kompliziert und die Anforderungen an ihr Verständnis sehr hoch. Zwischen Politik und Bürgern gibt es deswegen Empfangsstörungen – wohlgemerkt in beide Richtungen. Die heutige Medienwelt leistet ihren Beitrag dazu, indem sie die Kompliziertheit vereinfacht und banalisiert. So werden Diskussionen nicht versachlicht, sondern zu einem Wettstreit, in dem es darum geht, wer die beste Show abliefert. Dabei wird nicht einmal gefragt, ob die Zuschauer an solchen auf Unterhaltung und nicht auf Wissensvermittlung ausgerichteten Sendungen überhaupt ein Interesse haben.
H.F. Wie sollte es sein?
W.N. Wir brauchen eine andere Medienpolitik. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen sich wieder deutlicher ihres Informationsauftrages bewusst werden und sich vom ‘Mainstream’ der Privatsender abgrenzen. Wir brauchen viel mehr Informationen. Wenn z.B. nur zwei Personen über das schwierige und komplexe Thema ‘Sicherheitsverwahrung’ 90 Minuten lang diskutieren können und ihre Gedanken, Überlegungen und Argumente darstellen können, ist das besser als wenn sechs Personen das Thema in 45 Minuten abhandeln. Bei solchen Talkshows steht dann immer die Frage im Vordergrund, wer gewonnen oder verloren hat, nicht jedoch die Frage, wer hat verständiger argumentiert und erklärt. PHOENIX, 3sat und arte sind Fernsehsender, die meinem Verständnis vom Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten am nächsten kommen. Bei diesen Sendern wird noch deutlich, dass auch in der Medienpolitik der Satz gilt: Die Mutter der Wahrheit und der Gerechtigkeit ist die Zeit. Wir brauchen diese Zeit, um mit den Bürgern zu kommunizieren. Nur so können wir ihre Meinung erfahren und auch konkrete Sachverhalte erklären.
H.F.: Zurück zu der Unzufriedenheit der Bürger … Welche Visionen haben Sie?
W.N.: Viele. Insbesondere wünsche ich mir mehr soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft und weltweit. Um dies zu erreichen, sind kritische und widerborstige Bürgerinnen und Bürger gefragt. In einer Demokratie können sie sehr mächtig sein. Wenn sie sich widersetzen und hartnäckig genug sind, können sie viel erreichen …
H.F.: … Stichwort Tagebaue, das ist ja ein Problem der Region …
W.N.: Weder Herr Oettinger -der EU-Kommissar für Energie- noch die Kanzlerin reden, wenn es um die Zukunft der Energiepolitik geht, noch über Braunkohle. Die Braunkohle hat weder in Deutschland noch in Europa eine Zukunft. Auch das Thema CCS ist in Deutschland und Europa auf absehbare Zeit gestorben. Deswegen kann es auch kein neues Kohlekraftwerk Jänschwalde geben. Vattenfall hat ausdrücklich erklärt, dass es ohne CCS-Technik kein neues Kohlekraftwerk bauen wird. Ob die CCS-Technik in ferner Zukunft bei CO2-Abscheidungen im Industriebereich noch zur Anwendung kommen wird, ist offen.
H.F.: Sind dann die Aktionen von Vattenfall nur etwas wie ‘Hintertür offenhalten’?
W.N.: Die Investitionsplanungen bei Vattenfall sind mittelfristig darauf ausgerichtet, 80 Prozent ihrer Investitionen für die Windkraft aufzubringen. Für größere Investitionen in die Braunkohle bleibt deswegen kein nennenswerter Spielraum. Ich halte es für unverantwortlich, dass Vattenfall nicht dazu bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern in der Lausitz klaren Wein einzuschenken. Es wäre endlich angebracht, dass Vattenfall den Ausstieg aus dem Bau eines neuen Kohlekraftwerks Jänschwalde mitteilt, um den betroffenen Menschen die quälende Ungewissheit über die Verwirklichung dieses Vorhabens zu nehmen.
H.F.: Was können Bürger tun, die ihre Heimat verlieren sollen?
W.N.: Eine Heimat verkauft man nicht, eine Heimat verteidigt man. Wenn die von der Abbaggerung betroffenen Menschen dies beherzigen und entschlossen Widerstand leisten, werden sie gewinnen. Wie gesagt – die Bürgerinnen und Bürger sind sehr mächtig. Sie müssen sich dessen nur bewusst sein. Ich sehe meine Aufgabe als Bundestagsabgeordneter auch darin, sie in diesem Widerstand zu ermutigen und zu unterstützen.
H.F.: Herr Nešković, ich danke Ihnen für das Gespräch. Nun gibt noch einen sehr umfangreichen Teil über Bürgerbeteiligung und die neuen Medien, über die wir gesprochen haben. Ich denke, das sollte in einem zweiten Teil behandelt werden.
Teil zwei des Gespräches
Foto: PR