Die Dampfer in Bad Saarow halten noch Winterschlaf. Dümpeln beidseitig an der Anlegestelle, Wellen klatschen monoton gegen die weißlackierten Rümpfe. Möwen haben das obere Deck besetzt. An der Reling hängen ein paar schlaffe Luftballons. Die Kapitänskabine ist abgesperrt.
Gar nicht lange her, da haben wir hier oben gesessen, kühle Limo geschlürft und Segelbooten zugewinkt. Der Stewart war kaffeebraun, trug zu Zöpfen geflochtene Rasterlocken, die bis zum Hintern reichten und steckte in einer weißen Schiffsuniform.
Bestimmt Exilkubaner. Riß die Karten ab. Sehr höflich, besonders zu älteren Damen. Glich so ‘nem Typ, der früher mal “Viva” moderiert – Mola Abessesi oder ähnlich. Passte ins Bild. Die Haare wogen bestimmt 5 Kilo. Der Kapitän hatte Glatze. Erzählte wie ein Endlostonband immer die gleiche Litanei: von den Russen, die bis 1990 in den herrschaftlichen Villen rings um den Scharmützelsee hausten und diese verkommen ließen. Nachvollziehbare Mentalität von Siegern, die wussten, irgendwann war die schöne Zeit vorbei in der Germanskaja Demokratitscheskaja Respublika.
Man haben die alles verkommen lassen, murmelt ein Graubart neben mir …. guck mal, Rosi, der Schornstein – eingefallen, sämtliche Fenster dilletantisch vernagelt, das regnet doch überall rein und dann kannste die Bude irgendwann nur noch abreißen…Rosi antwortet nicht , lauscht lieber dem Kapitän:
an seiner tiefsten Stelle ist der Scharmützelsee 60 Meter, im Durchschnitt ungefähr 12 Meter; Käpt’n Nemo rasselt die Fakten runter, nun sind die Fischarten dran, die es hier gibt: vom Aal bis zum Quastenflosser. Nach einem Tuten mit dem Signalhorn, das einen Segler aus der Fahrrinne scheucht, tauchen berühmte Namen auf, die hier kurz oder lang verweilten: Maxim Gorki, Einstein, Brecht, sowie Ufa-und Defa-Schauspieler. Gojko Mitic war nicht hier, dafür Reichsmarschall Göring. Erst der dicke Herrmann, dann die Russen…
Jetzt sind wir hier, lümmeln auf dem Pott, schicken den Stewart Eisbecher holen und lassen sonnencremeeingeschmiert die Blicke schweifen. 2 Stunden dauert die große Runde. Reicht völlig. Wir klettern vom Dampfer, andere warten schon. Bereit zum Sprint, hoch zum Deck.
Fidel Castro breitet seine Arme aus, will die Meute aufhalten: ein exotischer Albatross, der seinen Horst verteidigt. Wir haben die Fahrt hinter uns, blicken hochmütig die Neuen an. Der Pott legt schon wieder ab: eine Karte 9 Euro, 120 Leute passen rauf, ein guter Schnitt.
Na gut, muss auch für den Winter reichen – doch nicht so berauschend. Ich dreh mich um. Castro schlenzt auf dem Deck lang, bringt Eisbecher unter die Leute. The Rastermann sieht gut aus, im Gegenlicht. Was der wohl im Winter macht?
Sicherlich Urlaub in der Karibik, bei ‘ner richtig dicken Mutti.
Ich weiß, wo wir nächstes Jahr Urlaub machen, sage ich zu A. und umarm’ meine Liebste – da kommste nie drauf ….