Lieber Wolfgang, liebe Uta,
wir vermissen euch sehr und können es immer noch nicht überwinden, dass ihr fortgezogen seid, uns zurückgelassen habt, mit diesem Volk links und rechts unseres Eingangs.
Ihr wisst: mit den Nachbarn ist es ein wunderlich Ding: ähnlich dem Wetter, manchmal Fluch, manchmal Segen .
Mit euch hat uns viel verbunden – gleiche Hobbys, gleiche Weltanschauung, derselbe Humor und vor allem die gegenseitige Hilfe in brenzligen Situationen. Das treffende Wort ist Verlass. Schade, dass ihr fortgezogen seid. Aber so ein geerbtes Häuschen im Schwarzwald lockt natürlich. Wir kommen euch bestimmt bald besuchen. Und bis dahin kriegt ihr Heimatnachrichten.
….. ich habe mir heute frei genommen, Rudi ist arbeiten.
Wie jedes Frühjahr: Fenster, Glasvitrine putzen, Deko für Ostern aufhängen, Wäsche waschen, bügeln, staubsaugen, Essen vorkochen … was da für Zeit drauf geht – Uta, du wirst es mir nachfühlen.
Aber, wenn dann alles glänzt, frisch duftet , in Reih’ und Glied griffbereit im Schrank steht oder gefaltet in der Kommode liegt – doch, ja, da bin ich ehrlich, bin ich stolz auf mich. Wer mag schon gern Dreck oder Unordnung … .können mich manche ruhig als Spießerin beschimpfen …
…Ihr habt gefragt, wie es dem alten Siggi geht ? …. nun: nachdem ihn Klimper-Elli ( Kol. v. 10.1.12 ) verlassen hat, ist der wunderlich geworden. Schleicht auf dem Hof in Pantoffeln rum, stört beim Wäsche aufhängen und spannt mit ‘nem Fernglas. Krächzt, er sei jetzt Ornithologe. Hat sogar Nistkästen aufgehängt. Wer weiß, was da drin ist ? … der ist doch so’n Bastelfreak. Gib dem paar Kondensatoren, Spulen und paar Röhren, ruckzuck baut der dir ein Radio.
…. wie haben wir damals mit der Kofferheule am Ohr rumgehangen, bis die Arme weh taten … “RIAS”, “… Luxemburg” und jeden Mittag Punkt 12. … Soldatensender: “Bong! Bong! – hier spricht der deutsche Soldatensender! Wir senden vom Territorium des ehemaligen deutschen Reiches”hallte es aus dem Äther. Grüße wurden gesendet: von Grenadieren aus der Flensburger Heide, von Fallschirmjägern in Koblenz, von den Schiffsmaaten, die in der Kieler Bucht stationiert waren und alle wünschten sich trommelharten Beat.
Wir lauschten mit heißen Ohren, wären am liebsten in die Heule
gekrochen, waren der Ansagerin verfalle ; rätselten, in zwei Lager gespalten, ob das Fabelwesen am Mikro blond oder brünett war.
Bei den Fernsehserien waren es Miami Vice, Denver Clan, Bonanza …..
In der Schule warst du Außenseiter, wenn du nicht erzählen konntest, wen der fiese Larry von Dallas gestern Abend fertiggemacht hat, dann wurdest nämlich du fertiggemacht….
Wer aber dachte, die andere Seite schlief, irrte. Jeden Tag rief die Trompete zum Klassenkampf.
Höhepunkt war, dass etliche rote Hausgemeinschaften freiwillig ihre Antennen abbauten, damit sie nur “Adlershof” gucken konnten.
Geteilter Himmel: links von der Straße leere Dächer, rechts windschiefe, westwärts ausgerichtet Kupferstäbe – sah aus, wie Siggi’ seine Rasterlocken aus dem Weltall …
Fortsetzung folgt, frühere Kolumnen zum Thema:
“Rauchende Colts, I + II, vom 21. und 24.12 2011