Buh, ist das heute wieder kalt: der Winter klammert, will nicht abhauen, obwohl welche auf Arbeit sagen, sie hätten schon Schneeglöckchen gesehen. Durchgefroren stapfe ich in den Zeitungsladen, um mich ein wenig aufzuwärmen, doch nicht mal die Brillengläser beschlagen, so minimal ist der Temperaturunterschied zu draußen.
Von wegen molliges Wohlfühlen in der morgendlichen Tabak – Zigaretten – und Zeitschriften -Oase.
Mein Gott, sind Sie mal nicht so verpimpelt – knurrt Zeitungshelga: was soll ich’n sagen, hier in dieser arschkalten Bude.
“Tür zu”, brüllt sie einen Kerl in Lederjacke an, der zusammenzuckt, unterwürfig “einmal Pall Mall” murmelt, abgezählt 5,80 auf den Tresen legt und dann schnell die Tür von draußen schließt.
Helga hat sich noch nicht beruhigt: wenn ich jetzt noch lese, dass der Wulff doch sein ‘Ehrensold’ bekommt, krieg’ ich das Kotzen. Sie wendet sich an mich: buchstabieren Sie mal das Wort: beginnt mit Ehre, heißt, ich bin als Mensch sauber – ein Vorbil, mich kann man volkstümlich gesprochen: “anbieten”, keine verfaulte Ware also.
Und iss’er das, der Holzkasper? fragt sie. Natürlich nicht, aber weiter im Text: kommen wir zu Sold.
Meiner Meinung nach bekommt ein Söldner Sold, und das ist ein gekaufter Lumpenhund, der mal für den oder den Lehnsherren jemand die Birne einschlägt.
Kann man nachlesen, bei Thomas Müntzer “Großer deutscher Bauernkrieg”.
Ich bin verblüfft: Sie haben Thomas Müntzer hier im Zeitungsladen?
Blödsinn, sagt Helga, ich hab aber in Geschichte aufgepasst.
Die Merkel ist auch so’n Knecht der Großbourgeoisie: reist in der ganzen Welt rum, um Aufträge für die Rüstungskonzerne ranzuschleppen; Horschte, den ich jetzt erst wahrnehme, stellt vom Sportteil aufguckend, wieder den Bezug zur Wirklichkeit her.
Helga’s Blick gleitet über ihre Importwaren: Havanna-Zigarren und Schottischer Whisky. Ne’, ne’, sagt sie, die Ungerechtigkeit fängt schon hier im Laden an: warum is’ es denn so ungemütlich ?…….
weil mein Budget für Kohlen aufgebraucht ist. Versteht ihr? Früher hieß das Sommerbefehl. Mein Herbert, Gott hab ihn selig, hat sich damals die Löffel abgefroren, weil die im März bei der NVA schon mit der Schirmmütze rumlaufen mussten, derweil die schönen warmen Schapkas im Spind lagen.
Die Roten waren schon bekloppt, aber so ‘ne Type wie Wulff, der hätte ein Parteiverfahren an die Backe gekriegt und dann ab – nach Jänschwalde, in Tagebau.
Wulff, in der Grube, wie der nach Kohle hackt, ein geiles Bild: alle mal aufstellen, Kollegen…. ja, der Neue in die Mitte, nun ruft mal schön Ananas ….. ja, ich weiß dass es die nicht gibt – so Klick, nun könnt ihr wieder weitermachen, mit dem Klassenkampf … der Neue sieht aber blass aus, so’n großer, kräftiger Kerl, kann nicht mal richtig die Schaufel halten, muss noch erzogen werden, der Genosse…
….der Wulff in der Grube, vielleicht hätte ich dann wieder was zu heizen, sagt Helga.
Ich werfe einen verstohlenen Blick zum marmorierten Kachelofen, (der in guten Zeiten) aus dem Hinterzimmer beheizt wird.
Mir fällt die berühmte DDR-Band Renft ein: “….nach der Schlacht waren die grünen Wiesen rot, nach der Schlacht war’n viele Kameraden tot, doch wer kann, stellt sich auf das verbliebene Bein, gib nicht auf Kamerad, einmal wird es anders sein…” – oder so ähnlich …
Als die das im Kulturhaus “8. Mai” gesungen haben, jeder drei Acht auf dem Kessel (der Schlagzeuger musste von hinten gehalten werden, sonst wär er vorne rüber gekracht, konnte ja niemand ahnen, was für einen Steiger wir mal als Präsidenten kriegen würden.
Mal unter uns: hätte sich der ein Haus in der Nähe vom Tagebau gekauft, Teichland oder Grießen vielleicht? – nada Ärger mit der Bank, immer frische Luft und nicht weit zur Arbeit; der feine Pinkel hätte sogar jeden Tag umsonst duschen können in der Kaue und ehrlich gesagt, die Betriebskantine war auch nicht so schlecht …
Seid mal ruhig, Helga dreht am Radioknopf, die spielen mein Lieblingslied:
” Zwei gute Freunde, die niemals auseinandergehen ……” das ist mir zu flippig, Ich schnapp’ mir meine “BZ” und verabschiede mich ….bis morgen, wer weiß, was dann Thema ist?
” Zwei gute Freunde ……”
Ich will ja den Radiofritzen nichts unterstellen, aber hat der Musikredakteur, das Schlitzohr,
vielleicht an Wulff und “Bild” gedacht?