Festnahmen von vier mutmaßlichen Mitgliedern einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung sowie Durchsuchungsmaßnahmen in elf Bundesländern bei insgesamt 50 Beschuldigten wegen des Verdachts rechtsextremistischer Straftaten. In Brandenburg erfolgten Durchsuchungsmaßnahmen in den Landkreisen Dahme-Spreewald und Barnim sowie in Potsdam.
Die Bundesanwaltschaft hat in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages (6. April 2022) auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vier mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung festnehmen lassen. Dabei handelt es sich laut der Bundesanwaltschaft um die deutschen Staatsangehörigen Leon R., Maximilian A., Eric K. und Bastian A..
Festnahmen in Eisenach und Rotenburg a.d. Fulda
Die Festnahme der drei erstgenannten Personen erfolgte in Eisenach, die des letztgenannten Beschuldigten in Rotenburg a.d. Fulda. Zeitgleich mit den Festnahmen haben richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen in derzeit 61 Objekten begonnen. Diese Maßnahmen dauern derzeit an und finden in elf Bundesländern – Thüringen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-Württemberg – mit etwa 1.000 Polizisten statt. Der örtliche Schwerpunkt liegt in Thüringen, insbesondere in Eisenach. Die Durchsuchungen richten sich auch gegen weitere 46 Beschuldigte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kommentierte die Aktion: „Unsere deutlich verschärfte Gangart gegen gewaltbereite Rechtsextremisten zeigt Wirkung.“
Durchsuchungen in Dahme-Spreewald
Ein Sprecher der Generalbundesanwaltschaft bestätigte auf Nachfrage von Niederlausitz aktuell, dass es auch Durchsuchungen in den Brandenburger Landkreisen Dahme-Spreewald, Barnim und der Landeshauptstadt Potsdam stattgefunden haben. Im Landkreis Dahme-Spreewald fand eine Durchsuchungsmaßnahme statt, den genauen Ort nannte der Sprecher aus Ermittlungsgründen nicht.
Aufgrund von konkreten Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurden seit September 2019 Ermittlungen gegen Mitglieder der „Atomwaffen Division Deutschland“ (AWDD), einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung mit Ursprung in den USA, sowie gegen Mitglieder der terroristischen Vereinigung „Sonderkommando 1418“ (SKD 1418) geführt. Einer der Beschuldigten war der heute festgenommene Leon R., mutmaßlicher Gründer und Rädelsführer der kriminellen Vereinigung „Knockout 51“. Seine Kontakte zu einem anderen Beschuldigten führten zur Einleitung von Ermittlungen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbot der Vereinigung „Combat 18 Deutschland“. Im Verlauf der Ermittlungen haben sich Anhaltspunkte für personelle Verbindungen von Beschuldigten in die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene ergeben.
Der Sprecher führte Niederlausitz aktuell gegenüber aus, dass die in Brandenburg durchgeführten Maßnahmen die Komplexe Knockout 51, AWDD und Combat 18 betrafen.
Die Ermittlungen, in die auch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst eingebunden war, wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt geführt. Für die Festnahmen und Durchsuchungsmaßnahmen sind über achthundert Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, der GSG9 der Bundespolizei, der Landeskriminalämter der Länder Bayern, Berlin, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie Einsatzhundertschaften aus Nordrhein-Westfalen und Bayern im Einsatz.
Mitglieder rechtextremistischer krimineller Vereinigungen
Die vier Festgenommenen sind der Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB) dringend verdächtig, wobei Leon R. zur Last gelegt wird, sich als Rädelsführer an dieser Vereinigung beteiligt zu haben. Im Zusammenhang damit werden Leon R. zudem gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 StGB) und Landfriedensbruch (§ 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB) vorgeworfen. Gegen Maximilian A., Bastian A. und Eric K. besteht zusätzlich der dringende Verdacht gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 Abs. 1 und 2 StGB).
Den Beschuldigten werden im Wesentlichen folgende Sachverhalte zur Last gelegt:
Leon R. ist Anführer der von Eisenach aus agierenden Gruppierung „Knockout 51“. Maximilian A., Eric K. und Bastian A. bekleiden ebenfalls Führungspositionen in der Vereinigung. Bei dieser Gruppierung handelt es sich um eine rechtsextremistische Kampfsportgruppe, die unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockt, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausbildet. Die Trainings finden unter der Leitung des Beschuldigten Leon R. in Eisenach regelmäßig in den Räumlichkeiten der Landesgeschäftsstelle der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), dem „Flieder Volkshaus“, statt.
„Knockout 51“ ist insbesondere in Thüringen aktiv und zudem überregional mit anderen rechtsextremistischen Akteuren in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vernetzt. Diese Verbindungen beruhen auf persönlichen Kontakten von Leon R. zu der dort jeweils etablierten rechtsextremen gewaltbereiten Szene.
Spätestens seit März 2020 ist die Vereinigung auf die Begehung von erheblichen Straftaten ausgerichtet. Hierzu gehören vor allem Körperverletzungsdelikte, die in erster Linie gegen Angehörige aus dem politisch „linken Spektrum“ begangen werden sollen, aber auch gegen die Polizei und sonstige Personen, die nach der rechtsextrem und rassistisch geprägten Weltsicht der Gruppierung bekämpft werden dürfen. Jedenfalls für Auseinandersetzungen mit „Linken“ ist dabei auch der Einsatz von Hieb- und Stichwaffen vorgesehen.
In Eisenach versuchten die Mitglieder von „Knockout 51“, einen sogenannten „Nazi-Kiez“ zu schaffen und sich dort als bestimmende Ordnungsmacht zu etablieren. Seit Ende April oder Anfang Mai 2021 führte die Vereinigung in dem Gebiet „Kiezstreifen“ durch. Dabei ging es einerseits um die Demonstration von Abwehrbereitschaft gegen potentielle Übergriffe aus dem „linken“ Lager, zugleich aber auch um die gezielte Provokation von Gewalt sowie den aktiven Kampf gegen den politischen Gegner. Im Rahmen ihres Auftritts als selbst propagierte Ordnungsmacht begingen Leon R., Maximilian A., Bastian A. und Eric K. zwischen Februar 2021 und Januar 2022 mehrfach Körperverletzungsdelikte, bei denen sie andere Personen zum Teil schwer verletzten.
Um die kriminellen Zwecke der Vereinigung zu verwirklichen, suchten Mitglieder von „Knockout 51“ überdies zwischen Ende August 2020 und Ende März 2021 mehrere Protestveranstaltungen gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Bundesgebiet auf, darunter in Leipzig und in Kassel. Dort kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen mit eingesetzten Polizeikräften und aus Sicht der Beschuldigten „linken“ Gegendemonstranten.
Ende November 2021 verkündete Leon R. zum Schein die Auflösung der Vereinigung. Seitdem treten Anwärter auf Geheiß von Leon R. in die Jugendorganisation der NPD, „Junge Nationalisten“ (JN) ein. Nach außen hin wird diese „Jugend“ von „Knockout 51“ von dem Beschuldigten Eric K. geführt.
Derzeit werden die Wohnungen sowie sonstige Räumlichkeiten der Festgenommen durchsucht. Hierzu gehören auch Bereiche im „Flieder Volkshaus“ in Eisenach. Darüber hinaus erstrecken sich die Durchsuchungen auf die Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten von anderen zehn Beschuldigten, die im Verdacht stehen, Mitglieder oder (in einem Fall) Unterstützer von „Knockout 51“ gewesen zu sein.
Combat 18 Deutschland
Die rechtsextremistische Vereinigung „Combat 18 Deutschland“ ist wegen ihrer Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung seit Oktober 2020 unanfechtbar verboten und aufgelöst. Das Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft richtet sich gegen mittlerweile 21 Beschuldigte in ganz Deutschland. Diese Personen stehen im Verdacht, trotz des Verbots der Vereinigung deren organisatorischen Zusammenhalt im Geheimen als Rädelsführer aufrechterhalten zu haben (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) oder Mitglieder oder Unterstützer (§ 85 Abs. 2 StGB) der verbotenen Vereinigung gewesen zu sein. Dieser Verdacht stützt sich u.a. darauf, dass mehrere Zusammenkünfte der Beschuldigten festgestellt wurden, die als eine Art „Pflichttreffen“ von „Combat 18 Deutschland“ anzusehen sind. Anlässlich solcher Treffen absolvierten die Teilnehmer u.a. „Leistungsmärsche“ und führten Aufnahmeverfahren von „Supportern“ (d.h. Anwärtern) durch, die neben einer praktischen Aufnahmeprüfung auch eine Art theoretische Prüfung mit Fragen zum Nationalsozialismus vorsahen.
Derzeit werden die Wohnungen sowie sonstige Räumlichkeiten der Beschuldigten durchsucht.
Atomwaffen Division Deutschland
Darüber hinaus führt die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen insgesamt zehn Beschuldigte, gegen die sich der Verdacht der Mitgliedschaft, der versuchten Mitgliedschaft oder der Unterstützung der terroristischen Vereinigung „Atomwaffen Division Deutschland“ richtet. Die AWDD ist ein deutscher Ableger der seit 2015 in den USA bestehenden „Atomwaffen Division“ (AWD). Anhänger der AWD treten offen rassistisch, antisemitisch und nationalsozialistisch sowie extrem gewaltverherrlichend auf. Ihr Ziel ist die Entfachung eines „Rassenkriegs“, aus dem die „weiße Bevölkerung“ siegreich hervorgehen soll. Durch Anschläge und Morde auf andere Bevölkerungsgruppen sowie Politiker, Amtsträger oder staatliche Einrichtungen sollen Chaos geschaffen und letztlich demokratische Grundordnungen durch rechtsextremistische Herrschaftsformen ersetzt werden.
Die AWDD ist ab Mitte 2018 im Internet erstmals in Erscheinung getreten. Anschließend hat die Gruppierung bis Ende März 2019 mittels Flugblattaktionen vor allem an Universitäten in Berlin und Frankfurt versucht, junge deutsche Männer für das von ihrem an die Ziele der AWD angelegten Vorhaben zu gewinnen. Zudem nutzte die Vereinigung Kommunikationskanäle im Internet, um für ihre rassistische und gewaltverherrlichende Propaganda zu werben und diese zu verbreiten.
Derzeit werden die Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten von insgesamt fünf Beschuldigten, darunter dem Festgenommenen Leon R., und einem Nichtverdächtigen durchsucht.
SKD 1418
Bei der „SKD 1418“ handelt es sich um eine zwischen Herbst 2019 und Februar 2020 von Deutschland aus im Internet agierende Chatgruppe. Deren Ziel war es, Anhänger für terroristische Anschläge zum „Rassenkrieg“ und zur Zerstörung bestehender demokratischer Systeme unter Ersetzung durch ein neofaschistisches System zu gewinnen.
Das betreffende Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft richtet sich gegen fünf Beschuldigte wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten von vier Beschuldigten werden derzeit durchsucht. Bei dem weiteren Beschuldigten war bereits in anderer Sache durchsucht worden.
Einem dieser Beschuldigten wird überdies zur Last gelegt, versucht zu haben, eine weitere terroristische Vereinigung zu gründen.
F. Leon R., Maximilian A., Eric K. und Bastian A. werden heute und morgen (6. und 7. April 2022) dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.
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Red. / Presseinfo