Am Freitag, dem 17. September, fand in Klein Radden/Radyńc bei Lübbenau im Rahmen des Programms der Schule für Niedersorbische Sprache und Kultur ein Vortrag über die Niederlausitzer Mundart statt.
Referent war kein geringerer als Dr. phil. Joachim Wiese (Foto) aus Berlin, in der Niederlausitz bekannt durch seine Mitautorschaft an „Der Niedersorben Wendisch“, am „Burger und Lübbenauer Spreewald“ aus der Reihe „Werte unserer Heimat“ und am „Brandenburg-Berlinischen Wörterbuch“, der Zusammenfassung des brandenburgischen und damit auch des Niederlausitzer Wortschatzes.
Mit den Vorarbeiten zum letzteren Werk wurde 1939 begonnen und 2001 wurde das letzte von insgesamt 40 Heften ausgeliefert. Dr. Wiese berichtete, dass für dieses Mammutwerk nicht nur die gesamte mundartliche Literatur ausgewertet wurde und Fragebögen verschickt wurden, sondern die Mitarbeiter selbst vor Ort Gewährsleute befragt haben.
So konnten sie z.B. den Fundus von bis dahin 270 erfassten slawischen Reliktworten auf 780 erhöhen. Neben den obersächsischen Einflüssen (z.B. Tiere für Türe), den schlesischen (Pauer für Bauer), niederdeutschen (plien für pflügen) ist er auch besonders auf die slawischen Einflüsse auf die deutsche Sprache in der Niederlausitz eingegangen, die neben den zahlreichen Lehnworten auch den Artikelwegfall, das Weglassen und Hinzufügen des h-Lautes, jeweils an falscher Stelle u.a. betrifft.
Wer diesen reichhaltigen Vortrag verpasst hat, kann sich darüber in dem Beitrag von Dr. Wiese im oben angeführten „Burger und Lübbenauer Spreewald“, Weimar 1994, S. 30-32, zu Hause informieren. Nachdem diese Bauernsprache ebenso wie die wendische lange gering geschätzt wurde, hat man ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als durch die beginnende Auflösung der dörflichen Kulturgemeinschaft infolge Bevölkerungsabwanderung nach der Stadt und Einfluss städtischer Kultur auf das Dorf ein Verlust der Vielfältigkeit der Sprache absehbar war, deutschlandweit über Fragebögen Sprachproben eingesammelt, die für die Niederlausitz u.a. im Neuen Lausitzischen Magazin abgedruckt wurden.
Wesentlichstes Dokument ist jedoch der vom wendischen Pfarrer Christian Wilhelm Bronisch (Kito Wylem Broniš) in Pritzen/Pricyń 1862 in einem 88-seitigen Artikel im Neuen Lausitzischen Magazin veröffentlichte Beitrag mit dem Titel „Grundzüge der deutschen Mundart, welche inmitten der sorbischen Bevölkerung und Sprache in der Niederlausitz und in den nördlichen Theilen der Oberlausitz gesprochen wird“.
Dieser Artikel ist der erste, aber auch bislang einzige Versuch der Aufstellung eines Regelwerkes für die Niederlausitzer Mundart.
In der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts haben dann vor allem die Lehrer Otto Lucas (1881-1956) und Karl Hahn, (1889-1946) und der Geistliche Reinhold Broske (1901-1979), sämtlich aus dem Lübbener Kreis, und Bernhard Masche (1875-1936) und Paul Noack (1890-1959) aus Guben in ihren Büchern Geschichten und Gedichte aus dem dörflichen Leben in Mundart niedergeschrieben.
Aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg gibt es vereinzelte Veröffentlichungen wie natürlich auch aus der Zeit davor. Mundart war aber in der DDR kein besonders geschätztes Kulturgut. So sind die Beiträge in den 50er und 60er Jahren im „Gubener Heimatkalender“ hervorzuheben.
Nach der politischen Wende 1989 waren mit Pressefreiheit und Wegfall des ständigen Papiermangels sowie Rückbesinnung auf die Traditionen beste Bedingungen für die Publikation neuer Mundartschriften gegeben.
Besonders im Regia-Verlag in Cottbus sind in den letzten 10 Jahren einige Bücher der Autoren Erika Haschenz aus Lübben, Christa und Siegfried Janzen aus Groß Lübbenau und Hans-Joachim Jänsch aus Radebeul erschienen. Als Autoren sind weiter zu nennen Christa Dünnbier aus Neu Zauche, Erika Menze aus Groß Wasserburg und Edith Baatz aus Schlepzig.
Neben den Schriften dieser auch als Mundartsprecher auftretenden Genannten gibt es zahlreiche Aktivitäten weiterer wie Marga Morgenstern aus Lübben, Hans-Joachim Kohlase aus Burg, „Marie und Pauline“ aus Straupitz, „Milena“ aus Lübbenau, dem Museumsverein „Rubiško“ (sprich Rubischko) aus Lübbenau, der Heimatstube „Nowa Niwa“ (Neu Zauche), den „Puschoasen“ aus Klein Radden, Harald Schneider und Konrad Ziegler aus der Elbe/Elster-Region und weiterer.
Die Auftritte dieser „Mundartaktivisten“ dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass es um die Niederlausitzer Mundart schlecht bestellt ist.
Wie Dr. Wiese schon bei der Befragung in den 60er Jahren in der Niederlausitz oft hören oder auf Fragebögen lesen konnte, wird sie mit ihren Eigentümlichkeiten wie fehlende Artikel, keine Differenzierung von Dativ und Akkusativ u.v.a. zu unrecht nur als schlechtes Deutsch angesehen, das es besonders bei Kindern auszumerzen gilt. Marlis Jedro-Mudraschk aus Krimnitz, selbst als Mundartsprecherin bei den „Puschoasen“ aktiv, sagte nach dem Vortrag: „Jetz oae ich erscht vaschtandn, dass unse Sproache ne echte Mundoart is“. Damit hat sie genau den Kern des Vortrages von Dr. Wiese getroffen.
Möge die fossile Braunkohle noch lange unter unserer Lausitzer Erde liegen und unsere fossile Mundart noch lange von den Niederlausitzern gesprochen werden.
Hans-Joachim Jänsch
Alde Kawuschke – Vorträge in Niederlausitzer Mundart
Foto © Elikowska
Am Freitag, dem 17. September, fand in Klein Radden/Radyńc bei Lübbenau im Rahmen des Programms der Schule für Niedersorbische Sprache und Kultur ein Vortrag über die Niederlausitzer Mundart statt.
Referent war kein geringerer als Dr. phil. Joachim Wiese (Foto) aus Berlin, in der Niederlausitz bekannt durch seine Mitautorschaft an „Der Niedersorben Wendisch“, am „Burger und Lübbenauer Spreewald“ aus der Reihe „Werte unserer Heimat“ und am „Brandenburg-Berlinischen Wörterbuch“, der Zusammenfassung des brandenburgischen und damit auch des Niederlausitzer Wortschatzes.
Mit den Vorarbeiten zum letzteren Werk wurde 1939 begonnen und 2001 wurde das letzte von insgesamt 40 Heften ausgeliefert. Dr. Wiese berichtete, dass für dieses Mammutwerk nicht nur die gesamte mundartliche Literatur ausgewertet wurde und Fragebögen verschickt wurden, sondern die Mitarbeiter selbst vor Ort Gewährsleute befragt haben.
So konnten sie z.B. den Fundus von bis dahin 270 erfassten slawischen Reliktworten auf 780 erhöhen. Neben den obersächsischen Einflüssen (z.B. Tiere für Türe), den schlesischen (Pauer für Bauer), niederdeutschen (plien für pflügen) ist er auch besonders auf die slawischen Einflüsse auf die deutsche Sprache in der Niederlausitz eingegangen, die neben den zahlreichen Lehnworten auch den Artikelwegfall, das Weglassen und Hinzufügen des h-Lautes, jeweils an falscher Stelle u.a. betrifft.
Wer diesen reichhaltigen Vortrag verpasst hat, kann sich darüber in dem Beitrag von Dr. Wiese im oben angeführten „Burger und Lübbenauer Spreewald“, Weimar 1994, S. 30-32, zu Hause informieren. Nachdem diese Bauernsprache ebenso wie die wendische lange gering geschätzt wurde, hat man ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als durch die beginnende Auflösung der dörflichen Kulturgemeinschaft infolge Bevölkerungsabwanderung nach der Stadt und Einfluss städtischer Kultur auf das Dorf ein Verlust der Vielfältigkeit der Sprache absehbar war, deutschlandweit über Fragebögen Sprachproben eingesammelt, die für die Niederlausitz u.a. im Neuen Lausitzischen Magazin abgedruckt wurden.
Wesentlichstes Dokument ist jedoch der vom wendischen Pfarrer Christian Wilhelm Bronisch (Kito Wylem Broniš) in Pritzen/Pricyń 1862 in einem 88-seitigen Artikel im Neuen Lausitzischen Magazin veröffentlichte Beitrag mit dem Titel „Grundzüge der deutschen Mundart, welche inmitten der sorbischen Bevölkerung und Sprache in der Niederlausitz und in den nördlichen Theilen der Oberlausitz gesprochen wird“.
Dieser Artikel ist der erste, aber auch bislang einzige Versuch der Aufstellung eines Regelwerkes für die Niederlausitzer Mundart.
In der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts haben dann vor allem die Lehrer Otto Lucas (1881-1956) und Karl Hahn, (1889-1946) und der Geistliche Reinhold Broske (1901-1979), sämtlich aus dem Lübbener Kreis, und Bernhard Masche (1875-1936) und Paul Noack (1890-1959) aus Guben in ihren Büchern Geschichten und Gedichte aus dem dörflichen Leben in Mundart niedergeschrieben.
Aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg gibt es vereinzelte Veröffentlichungen wie natürlich auch aus der Zeit davor. Mundart war aber in der DDR kein besonders geschätztes Kulturgut. So sind die Beiträge in den 50er und 60er Jahren im „Gubener Heimatkalender“ hervorzuheben.
Nach der politischen Wende 1989 waren mit Pressefreiheit und Wegfall des ständigen Papiermangels sowie Rückbesinnung auf die Traditionen beste Bedingungen für die Publikation neuer Mundartschriften gegeben.
Besonders im Regia-Verlag in Cottbus sind in den letzten 10 Jahren einige Bücher der Autoren Erika Haschenz aus Lübben, Christa und Siegfried Janzen aus Groß Lübbenau und Hans-Joachim Jänsch aus Radebeul erschienen. Als Autoren sind weiter zu nennen Christa Dünnbier aus Neu Zauche, Erika Menze aus Groß Wasserburg und Edith Baatz aus Schlepzig.
Neben den Schriften dieser auch als Mundartsprecher auftretenden Genannten gibt es zahlreiche Aktivitäten weiterer wie Marga Morgenstern aus Lübben, Hans-Joachim Kohlase aus Burg, „Marie und Pauline“ aus Straupitz, „Milena“ aus Lübbenau, dem Museumsverein „Rubiško“ (sprich Rubischko) aus Lübbenau, der Heimatstube „Nowa Niwa“ (Neu Zauche), den „Puschoasen“ aus Klein Radden, Harald Schneider und Konrad Ziegler aus der Elbe/Elster-Region und weiterer.
Die Auftritte dieser „Mundartaktivisten“ dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass es um die Niederlausitzer Mundart schlecht bestellt ist.
Wie Dr. Wiese schon bei der Befragung in den 60er Jahren in der Niederlausitz oft hören oder auf Fragebögen lesen konnte, wird sie mit ihren Eigentümlichkeiten wie fehlende Artikel, keine Differenzierung von Dativ und Akkusativ u.v.a. zu unrecht nur als schlechtes Deutsch angesehen, das es besonders bei Kindern auszumerzen gilt. Marlis Jedro-Mudraschk aus Krimnitz, selbst als Mundartsprecherin bei den „Puschoasen“ aktiv, sagte nach dem Vortrag: „Jetz oae ich erscht vaschtandn, dass unse Sproache ne echte Mundoart is“. Damit hat sie genau den Kern des Vortrages von Dr. Wiese getroffen.
Möge die fossile Braunkohle noch lange unter unserer Lausitzer Erde liegen und unsere fossile Mundart noch lange von den Niederlausitzern gesprochen werden.
Hans-Joachim Jänsch
Alde Kawuschke – Vorträge in Niederlausitzer Mundart
Foto © Elikowska