Ein Artikel in der BILD von heute mit dem Titel „BILD IN DER ÄRMSTEN KREISSTADT BRANDENBURGS“ hat in Forst nicht gerade Begeisterungsstürme ausgelöst. Natürlich hat Forst seit dem Niedergang der Tuchindustrie zu kämpfen und natürlich sind viele Bewohner der Arbeit hinterhergezogen. Nicht nur der Untergang der Tuchindustrie ist die Ursache, auch die Politik der Wendezeit war daran beteiligt.
Die ehemals volkseigenen Wohnungsgesellschaften wurden privatisiert und mussten auch die Schulden übernehmen. Diese Schulden waren im geschlossenen Wirtschaftssystem der DDR allerdings buchhalterische Schulden, die bei den ebenfalls volkseigenen Banken zwar als Kredite geführt aber nicht zurückgezahlt werden mussten. Nun waren es auf einmal reale Schulden und die Wohnungsgesellschaften standen vor dem Konkurs. 1994 erkannte die Bundesregierung das Dilemma und erließ diese fiktiven Schulden. Allerdings mit der Auflage der Privatisierung von Wohnungen und der Verpflichtung der Sanierung. Die Wohnungsgesellschaften bauten die Häuser um und verkauften Eigentumswohnungen. Die Eigentumswohnungen wurden für die Käufer mit 7.000 DM an verlorenen Zuschüssen gefördert. Besonders erfolgreich war der Verkauf in der August-Bebel-Straße. Die Sanierung der Mietwohnungen musste ebenfalls über Kredite realisiert werden und verschuldete die Wohnungsgesellschaften erneut. Die Finanzkrise, die Ende 1998 Deutschland erreichte, trieb viele mittelständische Betriebe, die Anfang der Neunziger gegründet wurden, in die Insolvenz und die Arbeitslosigkeit stieg. Viele Forster verließen ihre Heimat und der Leerstand der Wohnungen stieg und trieb die Wohnungsgesellschaften erneut in eine dramatische Schieflage.
Die Wohnungsgesellschaften erhielten wiederum Fördermittel um sie aus dem finanziellen Dilemma zu befreien, diesmal, um Wohnungen ‘zurückzubauen’, also abzureißen. Bei Gebäuden, in denen ein hoher Anteil an Eigentumswohnungen vorhanden ist, geht das nicht. Aber die Gebäude um den Marktplatz waren betroffen.
2006 war ein besonders schwieriges Jahr. Die Wohnungsgenossenschaft war mit 35 Millionen Schulden und 40% Leerstand im Konkurs, die Stadt Forst stand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit und Zwangsverwaltung, der Finanzdezernent war nach dem abgelehnten Haushalt zurückgetreten, der Bürgermeister durch ein Volksbegehren abgewählt und die Arbeitslosigkeit betrug 23%. Die hochverschuldete Stadt musste eine 17 Millionen Euro Bürgschaft in Folge der Konkursverhandlungen der Wohnungsgenossenschaft übernehmen. Voraussetzung für die Genehmigung war unter anderem, dass 340 Wohnungen der ehemaligen Genossenschaft abzureißen sind.
Das Land Brandenburg hat durch politische Entscheidungen die Entwicklung von Forst (Lausitz) ebenfalls benachteiligt. Durch das Förderkonzept der „regionalen Entwicklungskerne“ sind die Fördermittel in Forst 5% unter denen der Entwicklungskerne. 2010 wurde das Land Brandenburg noch in zwei Förderregionen unterteilt, Nord und Süd. Die Grenze liegt etwa bei Eisenhüttenstadt. Der südliche Teil wird bezogen auf das Investitionsvolumen um 10% benachteiligt.
Durchaus ein Grund für Unternehmen, sich nicht in Forst anzusiedeln. Trotz all der Nachteile wurden in den vergangenen Jahren über 300 neue Arbeitsplätze geschaffen und über 400 Arbeitsplätze gesichert. Beispiele dafür sind die Unternehmen ‘EEB’, ‘Spinnerei Forst GmbH’, ‘VIS Forst GmbH’, ‘FOR Werk GmbH’ und die Firma ‘Mrose’.
Forst (Lausitz) hat es nicht einfach, aber trotzdem Dinge zu bieten, die deutlich größere Städte nicht bieten können. Ich nenne hier einmal den Ostdeutschen Rosengarten (vergleichbar in etwa mit einem botanischen Garten in anderen Städten), ein Frei- und ein Hallenbad, ein Rad- und Reitstadion ein Naturschutzgebiet in unmittelbarer Nähe, ausgebaute Radwege, das in Brandenburg einmalige Textilmuseum und kulturelle Angebote (Beipiele: Forster Hof, komfor, Pavillon Genuss & Kunst, die Kulturkirchen und mehr).
Natürlich gibt es viel zu tun in Forst (Lausitz). Die Verwaltung, die Stadtverordnetenversammlung müssen an einem Strang ziehen. Aber auch die Landesregierung ist in der Pflicht und muss dringend das Förderkonzept überdenken und ändern. Wegen der kommenden Veränderungen (Thema Braunkohle) ist ebenfalls die Bundesregierung in der Pflicht. In der alten Bundesrepublik gab es die „Zonenrandförderung“, warum also nicht eine Förderung für durch den kommenden Strukturwandel besonders betroffe Regionen?
Der Beitrag in der BILD ist einseitig, geht kaum auf die vielen Ursachen ein und präsentiert Zahlen, über deren Herkunft ich verwundert bin. Da ist von Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 1 Million die Rede, es sind aber meines Wissens ca. 5 Millionen.
Es ist kein Problem, eine Stadt ausschließlich negativ darzustellen, Beispiel gibt es genug. Ob das aber sauberer Journalismus ist, daran habe ich meine Zweifel. Der Beitrag erinnert mich an eine Reportage bei PRO7 vor ein paar Jahren. Da wurde München und Cottbus verglichen, allerdings wurde in München in einem schicken Villenviertel und in Cottbus in Limberg und Neu Schmellwitz gedreht.
Gern auch nochmal zum nachlesen: Die hohe Kunst der Manipulation