Am vergangenen Donnerstag diskutierten in Eisenhüttenstadt internationale Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung zum Thema grenzüberschreitende Binnenschifffahrt und Häfen in Brandenburg.
Das Deutsch-Polnische Wirtschaftsgespräch wurde von der Stadt Eisenhüttenstadt und der IHK Ostbrandenburg mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) organisiert.
Eine herausragende Botschaft auf der Veranstaltung war die Forderung der Brandenburger Wirtschaft nach einer Engpassbeseitigung an der Fürstenwalder Schleuse im Oder-Spree-Kanal. Dieser Engpass zwischen Berlin und Eisenhüttenstadt verhindert die Befahrbarkeit der Internationalen Wasserstraße E-71 mit zeitgemäßen Binnenschiffen. Hinzu kommt, dass die verfügbare Flotte von kleinen Güterschiffen, welche die nur 67 Meter lange Schleuse in Fürstenwalde passieren können, weit über 50 Jahre alt ist und durch Abgänge und Verlängerungen ständig schrumpft. Ein alternativer Transport mit Schubverbänden ist vergleichsweise zeit- und kostenintensiv. Großes Interesse am Binnenschiffstransport haben strukturprägende Unternehmen wie ArcelorMittal Eisenhüttenstadt oder FGL und Reuther STC in Fürstenwalde.
Die Stadt Eisenhüttenstadt betreibt selbst einen öffentlichen Binnenhafen als trimodales Terminal am Knotenpunkt der transeuropäischen Transportkorridore „North Sea – Baltic“ und „Baltic – Adriatic“. Der Hafen ist unverzichtbar für den modernen Industriestandort Eisenhüttenstadt, leidet aber an der schlechten Erreichbarkeit mit modernen Binnenschiffen und kann Umschlaganfragen oftmals nicht bedienen. Im Ergebnis einer Potenzialuntersuchung, welche auf der Veranstaltung vorgestellt wurde, bekennt sich die Stadt zu ihrem Hafen und will in die notwendige Ertüchtigung seines Gleisanschlusses investieren. Breite Unterstützung und Rückendeckung erhielten die Unternehmen und Kommunen bei ihrer Forderung von Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber und Staatssekretärin im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) Ines Jesse.
Unverständnis erzeugte dagegen die Erklärung des Vertreters aus dem Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Jochen Kies, nach der die Spree-Oder-Wasserstraße im aktuellen Bundesverkehrswegeplan auf Grund ihres derzeitigen Transportaufkommens als „Nebenwasserstraße“ ohne Transportbedeutung betrachtet und der Ersatzneubau der Schleuse Fürstenwalde mangels Wirtschaftlichkeit nicht vor dem Jahr 2030 in Aussicht gestellt wird. Angezweifelt wurde auch die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Bundes, welcher ein Szenario mit dem Ersatzneubau nicht nur der Schleuse Fürstenwalde, sondern auch der bereits auf 115 Meter verlängerten Schleusen Wernsdorf und Kersdorf zugrunde liegt. Fürstenwaldes Bürgermeister Hans-Ulrich Hengst wies darauf hin, dass auch die Zahlen und Prognosen des Bundes für die Einstufung in das Nebennetz nicht nachvollziehbar waren. So wird auf dem Oder-Spree-Kanal bereits seit mehreren Jahren mit stetig steigender Tendenz der Schwellenwert an Tonnage für die Einstufung in das Kernnetz erreicht bzw. überschritten. Bei einem Schleusenneubau in Fürstenwalde und Nutzung der bereits verlängerten Schleusen in Wernsdorf und Kersdorf wäre das Kosten-Nutzen-Verhältnis mit 8,9 ebenfalls deutlich positiver als die vom Bund ermittelten 0,9. Angebote aus der Wirtschaft zur Vorfinanzierung des Schleusenneubaus hat der Bund bisher abgelehnt, im letzten Jahr sogar 200 Mio. € Investitionsmittel wegen fehlender Planungskapazitäten wieder an den Bundeshaushalt zurückgegeben.
Dass es auch anders gehen kann, zeigte Marcin Białek vom neu gegründeten Warschauer Ministerium für Maritime Wirtschaft und Binnenschifffahrt. Die polnische Regierung setzt nach jahrzehntelanger Vernachlässigung der polnischen Wasserwege nun massiv auf den umweltfreundlichen Verkehrsträger Binnenschifffahrt und beschloss im vorigen Jahr ein umfangreiches Investitionsprogramm für Flüsse und Kanäle. Die Oder-Wasserstraße nimmt dabei als Internationale Wasserstraße E-30 die höchste Investitionspriorität ein. Bis zum Jahr 2020 werden erste Engpassbeseitigungen vorgenommen und bis 2030 Ertüchtigungsmaßnahmen auf die internationale Wasserstraßenklasse Va vorgenommen. Auch für die polnische Seite hat der Oder-Spree-Kanal über Eisenhüttenstadt als kürzeste Verbindung zwischen dem größten polnischen Industriegebiet Oberschlesien und den Metropolen Berlin und Hamburg eine außerordentlich hohe Bedeutung.
Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Brandenburg ist auf ganzheitliche und weitsichtige Verkehrspolitik sowie eine funktionsfähige Infrastruktur auch auf der Spree-Oder-Wasserstraße angewiesen. Eisenhüttenstadts Bürgermeisterin Dagmar Püschel fühlt sich in den bereits jahrelangen Diskussionen mit dem Bund immer wieder an die Frage von „Henne und Ei“ erinnert und setzt nun auf neue Gespräche zwischen der Landesregierung und dem Bundesverkehrsministerium unter den neu gewonnenen Erkenntnissen. Neben der geforderten Engpassbeseitigung müsse nun durch das Land Brandenburg beim Bundesverkehrsministerium eine Wiederaufnahme der Spree-Oder-Wasserstraße in das europäische TEN-T Netz beantragt werden.
pm/red
Foto: Oder-Spree-Kanal; Wikipedia, gemeinfrei